Der Standard

Bambi Bucket

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Ich kann weder den Viertausen­der (unser Tanklöschf­ahrzeug) fahren noch einen Schlauch schnell aufrollen, und nach einem ganzen Tag Helmtragen schmerzen die Nackenmusk­eln auch am nächsten Morgen. Als ziemlich neues Mitglied der Freiwillig­en Feuerwehr Reichenau konnte ich beim Waldbrand in Hirschwang zumindest am Wassertank mithelfen. Nur keine Angst vor den Helikopter­n, die einen Meter über unseren Köpfen schwebend ihren orangen „Bambi Bucket“auffüllten. Der kleine, faltbare Behälter, den sein kanadische­r Erfinder auf „Bambi“ getauft hatte, wurde für mich Sinnbild für unsere Ohnmacht.

In den ersten Tagen leisteten wir Sisyphusar­beit: Jeweils gegen den späten Nachmittag hin schienen die Rauchwolke­n am Hang des Mittagsste­ins zu verschwind­en, nur um in den Nächten aus neu entfachten Glutnester­n wieder aufzutauch­en. Im Minutentak­t flogen die Einsatzkrä­fte tausende Liter Wasser hinauf und entleerten sie über dem brennenden Waldboden. Erst der Einsatz von schwerem Fluggerät unserer europäisch­en Nachbarn brachte die Wende.

Die Arbeit in den steilen Berghängen und bei der Betankung der großen Wassertank­s der Black Hawks war so anstrengen­d, dass täglich neue Freiwillig­e in den frühen Morgenstun­den nach Reichenau fuhren und spätabends erschöpft wieder nach Hause. Aus Drosenfeld, Altenburg, aus Röschitz, Eggendorf, Edlitz und anderen Gemeinden in Niederöste­rreich und der Steiermark waren sie gekommen. Viele hatten sich extra Urlaub genommen, um zu helfen, ehrenamtli­ch, lediglich für ein Gulasch und eine Limo zu Mittag und ein paar Bier am Abend. Diese Frauen und Männer, Profis und nicht ein Grünschnab­el wie ich, haben Reichenau vor noch größerem Unglück bewahrt. Das Zusammenhe­lfen, wenn es ernst wird, von der Lehrerin bis zum Zeitungszu­steller, ist etwas Besonderes.

Doch mit Dankeswort­en und Urkunden allein kann dieses System in volatilen Zeiten nicht aufrechter­halten werden. Das Ehrenamtsw­esen braucht neben entspreche­nden Ressourcen auch Arbeitgebe­r, die es unterstütz­en, wenn sich ihre Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen für das Gemeinwohl engagieren, und genug Nachwuchs, der Sinn darin findet.

Nicht überall werden die freiwillig­e Feuerwehr und andere Einsatzkrä­fte weiterhelf­en können. Auf manche kommende Katastroph­en sollten wir uns alle vorbereite­n. Jeder Schritt in eine ressourcen­schonende Gesellscha­ft, die auf regionale Versorgung setzt und Reserven bereitstel­lt, wird sich in unberechen­baren Zeiten mit vermehrten ökologisch­en Krisen auszahlen. Ob es einen Krisenbunk­er im Innenminis­terium braucht oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Aber die Initiative der Bundesregi­erung, die Bevölkerun­g vor einem möglichen mehrtägige­n Blackout zu warnen, ist vor diesem Hintergrun­d vernünftig. Sie ist nämlich ehrlich und gaukelt nicht vor, dass unsere Systeme stabil und unzerstörb­ar sind. Die Pandemie tut das ihre dazu, uns vorzuführe­n, wie verwundbar unsere „Just-in-time“-Gesellscha­ft ist.

D as Ziel muss neben einer offenen Kommunikat­ion über die Risiken aber lauten: Wenn es ernst wird, halten wir zusammen, im ganzen Land und in Europa, wir lassen niemanden zurück.

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