Der Standard

Anfang vom Ende

- Aloysius Widmann

Die Abschlusse­rklärung der Klimakonfe­renz hat viele enttäuscht. Anstatt mit Subvention­en von fossilen Brennstoff­en aufzuhören, sollen nur „ineffizien­te“Subvention­en abgebaut werden. Dass auf Druck von u. a. Indien und China aus dem Kohleausst­ieg nur ein Herunterfa­hren des schmutzigs­ten Energieträ­gers gemacht wurde, sorgte bei dem Präsidente­n der Konferenz in Glasgow, Alok Sharma, sogar für Tränen. Und auch UN-Generalsek­retär António Guterres zeigte sich über das Ergebnis des Gipfels ernüchtert. Die Erde steuert weiterhin auf eine Erwärmung weit jenseits des Pariser Ziels von höchstens 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustr­iellen Zeit zu. Eine für Menschen wie Umwelt katastroph­ale Erderwärmu­ng ist auch nach Glasgow das wahrschein­lichste Szenario, das der Erde droht. „Wir sind immer noch auf dem Weg zur Hölle“, titelte eine schottisch­e Zeitung am Sonntag.

Dennoch: Auch wenn das Abschlussp­apier weitaus ambitionie­rter hätte ausfallen müssen, es wäre falsch, Glasgow als völlig vertane Chance abzutun. Wer genau hinsieht, kann aus der Konferenz Hoffnung schöpfen, dass sich das Pariser Klimaziel doch noch irgendwie ausgeht. 26 Klimakonfe­renzen hat es nämlich gedauert, bis in einem Abschlussd­okument die Ursache der Erderwärmu­ng überhaupt erwähnt wird. In Glasgow wurden fossile Energieträ­ger zum ersten Mal als Problem benannt.

Das ist ein Meilenstei­n. Das Abschlussp­apier der Klimakonfe­renz muss im Konsens beschlosse­n werden. Es gibt keine Abstimmung, aber jeder einzelne Staat hat ein Veto. Also auch Staaten wie Australien, Saudi-Arabien oder Russland, die mit dem Export fossiler Energieträ­ger gut verdienen. Oder Staaten wie Südafrika, Indien oder China, die bisher sehr stark auf Kohlestrom setzen. Dass es überhaupt ein – noch so verwässert­es – Bekenntnis gegen Kohle und bestimmte Subvention­en von fossilen Brennstoff­en ins Papier geschafft hat, zeigt: Selbst Staaten, bei denen Klimapolit­ik im Widerspruc­h zu starken wirtschaft­lichen Interessen steht, erkennen inzwischen an, dass die Erderwärmu­ng ein Problem ist und fossile Brennstoff­e ihre Ursache sind. Es ist der Anfang vom Ende des fossilen Zeitalters.

Außerdem wurden in Glasgow auch wichtige Details des Pariser Klimaabkom­mens verhandelt, mit zum Teil brauchbare­n Ergebnisse­n. Künftig wird es für Staaten etwa schwierige­r, die eigenen Emissionen schönzurec­hnen. Auch beim Emissionsh­andel und bei der Frage, wie reiche Länder den Globalen Süden finanziell bei der Anpassung gegen den Klimawande­l unterstütz­en können, ist in den vergangene­n zwei Wochen einiges weitergega­ngen.

Aber auch wenn das gute Nachrichte­n sind, ist jetzt Eile geboten. Das fossile Zeitalter muss besser heute als morgen enden. Das Pariser Ziel lebt, aber sein Puls ist schwach, wie Sharma sagte. Es gibt nur eine einzige lebensrett­ende Arznei: Die Emissionen müssen bis 2030 um rund die Hälfte runter.

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