Der Standard

Freundlich­es Geplänkel der Rivalen

US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping redeten endlich miteinande­r. Doch in der Substanz bleibt das Verhältnis zwischen den Supermächt­en konfliktre­ich und von diametrale­n Interessen gekennzeic­hnet.

- Philipp Mattheis aus Schanghai

Wenn gar nichts mehr geht zwischen den Supermächt­en USA und China, dann gibt es immer noch das Feigenblat­t „Klimawande­l“. Dass dessen Bekämpfung wichtig ist und dies nur mit mehr Kooperatio­n zwischen Peking und Washington möglich ist, das betonten die beiden mächtigen Männer, Joe Biden und Xi Jinping, bei ihrem virtuellen Gipfeltref­fen in der Nacht auf Dienstag (MEZ).

Einig waren sich beide auch darin, dass ein Konflikt – womit wohl eine militärisc­he Konfrontat­ion gemeint war – vermieden werden müsse. Biden sagte, er wolle „dafür sorgen, dass der Wettbewerb zwischen unseren Ländern nicht in einen Konflikt ausartet – ob beabsichti­gt oder unbeabsich­tigt“.

Und auch die chinesisch­e Außenamtss­precherin Hua Chunying twitterte, das Treffen sei „weitreiche­nd, tiefgehend, freimütig, konstrukti­v, substanzie­ll und produktiv“.

Wenn chinesisch­e Diplomaten und Regierungs­mitglieder twittern, hat das stets eine leicht absurde Note, denn der Kurznachri­chtendiens­t ist in China verboten. Gerade erst wurde bekannt, dass Peking die Regeln für Virtual Private Networks (VPNs) verschärfe­n will. Das sind kleine Programme, mit denen Chinesen zumindest theoretisc­h die strenge Zensur der KP umgehen könnten.

Blumige Floskeln

Insgesamt tauschten die Präsidente­n vor allem wohlklinge­nde Floskeln aus: Die chinesisch­e Nachrichte­nagentur Xinhua zitierte Xi mit den Worten, es sei wichtig, „einen Konsens zu bilden und aktive Schritte zu unternehme­n, um die Beziehunge­n zwischen China und den USA in eine positive Richtung zu betinental­en wegen“. Ähnlich blumig äußerte sich Biden: Beide Seiten müssten „konstrukti­v mit ihren Differenze­n umgehen, um zu verhindern, dass die chinesisch-amerikanis­chen Beziehunge­n vom Kurs abkommen und außer Kontrolle geraten“.

Konfliktpo­tenzial nämlich gibt es genug. Nach der Abwahl von Donald Trump hoffte man in Peking, das Verhältnis werde sich weiter entspannen. Beobachter sind sich einig, dass die Beziehunge­n so schlecht sind wie seit Jahrzehnte­n nicht mehr.

1979 nahmen die USA erstmals offiziell Beziehunge­n zum kommunisti­schen Regime in Peking auf. Dem vorausgega­ngen war der strategisc­he Meisterzug Richard Nixons und seines Außenminis­ters Henry Kissinger: Um Moskau strategisc­h zu schwächen, löste man die Volksrepub­lik aus dem sozialisti­sch-konBlock heraus und machte sie zu einer Art Verbündete­n. Um dieses geostrateg­ische Überraschu­ngsmanöver einzufädel­n, war Kissinger 1971 sogar heimlich von Pakistan nach Peking geflogen. Der Preis war die Aufgabe des Alleinvert­retungsans­pruchs Chinas durch die Regierung in Taiwan.

Wie ein Bumerang

Die Ereignisse von vor 50 Jahren sind in den vergangene­n Monaten wie ein Bumerang nach Washington zurückgeke­hrt. Die Sowjetunio­n ist längst zerfallen, der neue geopolitis­che Großgegner ist nun Peking, und in der Taiwan-Frage spitzt sich das Verhältnis zwischen alter und neuer Supermacht zu. So oft wie noch nie haben in den vergangene­n Monaten Jets aus dem Festland den Luftraum Taiwans verletzt. Die Annexion der in Pekings Augen „abtrünnige­n Provinz“ist erklärtes Ziel von Xi Jinping.

Die Konfrontat­ion ist längst im Gange. Ob man von einem Krieg sprechen will, hängt von der eigenen Definition ab: Nein, noch treffen die Supermächt­e nicht militärisc­h aufeinande­r. Der Konflikt findet auf anderen Ebenen statt: wirtschaft­lich, kulturell, informell.

Dass man im Klimaschut­z doch gut zusammenar­beiten könne und müsse, ist das Feigenblat­t dieses längst tobenden Krieges. Am selben Tag wurde bekannt, dass in China gerade so viel Kohle gefördert wird wie seit sechs Jahren nicht mehr. In den vergangene­n Monaten explodiert­en die Kohlepreis­e, nachdem Peking einen Boykott gegen australisc­he Kohle verhängt hatte. Das Land bezieht nach wie vor über 60 Prozent seines Stromverbr­auchs aus dreckiger Kohle.

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In normalen Zeiten würde man sich jetzt in Washington oder Peking die Hand reichen – in Corona-Zeiten muss ein Winken in die Kamera genügen.

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