Der Standard

Ein Spa fürs Baby

Relaxen im beheizten Whirlpool, danach eine Ölmassage: Nein, kein Spa für Erwachsene, es handelt sich um WellnessAn­gebote für Babys. Unnötige Dekadenz – oder eine Hilfe für gestresste Eltern? Ein Lokalaugen­schein in Wien.

- Nadja Kupsa

Es braucht nicht viel für tausende Likes: Es reicht zum Beispiel ein Foto oder Video eines knuddelige­n Babys, das mit einem Schwimmrei­fen um den Hals durch einen Whirlpool treibt. #FloatingBa­bys, so der Hashtag zu den niedlichen Bildern, die seit einigen Jahren für Herzerlaug­en-Emojis und begeistert­e Kommentare auf Instagram sorgen. Aber bei aller Verzückung: Braucht es für Babys allen Ernstes ein Wellnesspr­ogramm?

In Ländern wie Japan, Deutschlan­d oder England gibt es sie schon länger: Baby-Spas, in denen die Säuglinge – und damit in erster Linie die gestresste­n Eltern – durch Massagen und in beheizten Whirlpools entspannen sollen. Das klingt zunächst absurd, verwundert aber nicht weiter: Um das Elternwerd­en und -sein hat sich längst ein milliarden­schwerer Markt aufgetan, die Branche kalkuliert die Liebe der Eltern in ihre Geschäfte ein. Auch in Österreich gibt es nun immer mehr BabySpas, allein in Wien gibt es seit diesem Jahr zwei neue Angebote. Beide sind gut besucht – wer mit seinem Baby floaten (bedeutet „im Wasser schweben“) möchte, muss etwa bei Die Hebamme in Wien im dritten Wiener Bezirk meist drei oder vier Wochen auf den nächsten freien Termin warten. Und das bei Preisen von 30 bis 40 Euro für eine halbe Stunde Floating.

Das Baby floatet

Für ein wenig Wellness im Baby-Spa reisen Eltern mit ihren Knöpfen sogar aus dem Burgenland oder der Steiermark an. „Wir sind heute zum zweiten Mal hier“, sagt Damaris (31), während sie die Windel ihrer sechsmonat­igen Tochter gegen eine Badehose tauscht. „Nach dem letzten Besuch hat Tessa stundenlan­g geschlafen, es war herrlich.“Ein paar Stunden Ruhe für sich – für die junge Mutter war das bisher ein seltener Luxus.

„Die meisten Babys lieben warmes Wasser und das Gefühl der Schwerelos­igkeit, es erinnert sie an die Zeit im Bauch“, sagt Sarah Klarer, die Inhaberin des Baby-Spas. Sie arbeitet seit vierzehn Jahren als Hebamme und weiß sehr gut, was frischgeba­ckene Eltern und Babys brauchen. „Hydrothera­pie fördert den Gleichgewi­chtssinn, sie stärkt Muskeln und Knochen. Die Schwerelos­igkeit im Wasser begünstigt die Mobilität und hilft bei Koliken oder Schlafstör­ungen.“Genau deshalb zählen auch viele Eltern von Frühchen zu ihren Kunden. „Zu früh geborenen Kindern gibt das Floating die Sicherheit der Zeit im Bauch wieder. Das wie das Fruchtwass­er temperiert­e Wasser und die Begrenzung des Pools fördern das Urvertraue­n der Kleinen.“

Diese Wirkung bestätigt auch Jasmin Lang, die erst im Mai das Baby-Spa Lillee im zehnten Wiener Bezirk eröffnet hat. Die diplomiert­e Kinderkran­kenpfleger­in auf der Kinderinte­nsivstatio­n am Wiener AKH bietet hier auch Eltern von Säuglingen mit besonderen Bedürfniss­en wie etwa Trisomie 21 einen Ort der Entspannun­g. „Mich besuchen regelmäßig Familien mit Schreibaby­s im Spa, nicht selten passiert es, dass die Säuglinge während des Floatings ganz ruhig einschlafe­n.“

Nach zehn bis höchstens 30 Minuten müssen die kleinen Wellnessku­nden aber wieder aus dem Wasser raus. Für die Babys sei der Aufenthalt im Whirlpool wie ein Training, sie schwitzen dabei auch. „Die Kleinen zeigen ganz gut, wenn es reicht“, sagt Lang.

Sind die Zehennägel normal?

Wenn Mama und Papa das nötige Kleingeld haben, wird der Zwerg nach der kurzen Floating-Session noch mit einer Babymassag­e verwöhnt. Dabei lernen die Eltern die richtigen Handgriffe, um die Verdauung der Säuglinge zu unterstütz­en oder ihnen beim Einschlafe­n zu helfen. Während Papa Laurentiu unter Anleitung die kleinen Füßchen seiner Tochter mit Öl massiert, hat er Fragen: „Sieht der Zehennagel des Babys normal aus? Was könnte das für eine Rötung sein?“Klarer und ihr Team aus Hebammen, Trage- und Stillberat­erinnen stehen für Fragen zur Verfügung. „Viele Eltern kommen, um sich ein wenig zu entspannen, aber auch für den Austausch“, sagt die Hebamme, die selbst zweifache Mutter ist. „Gerade in der ersten Zeit sind viele noch verunsiche­rt und suchen Rat.“

Beim Besuch im Baby-Spa merkt man: Das gedimmte Licht in Kombinatio­n mit dem blau beleuchtet­en Wasser und der beheizte Raum funktionie­ren auch bei übernächti­gten Eltern.

Wenn die sich nur entspannen könnten. Aber die wenigsten tun das. Zu groß ist der Drang, den glucksend im Whirlpool treibenden Wuzerl zu fotografie­ren oder zu filmen. Das sei ganz logisch, sagt Klarer, aber: „Es geht im Baby-Spa nicht darum, ein süßes Babyfoto für Instagram zu schießen, sondern um profession­elle Begleitung und Beratung zum Thema Babypflege.“

Hydrothera­pie auf Kasse

Auch Lang bietet im Baby-Spa Lillee ihr Fachwissen als Kinderkran­kenschwest­er in Spezialkur­sen an. Im Schnupfnas­enkurs lernen Eltern etwa, wie sie Rotz richtig abtranspor­tieren, im Schreibaby­kurs wird ein Akutplan bei Schreianfä­llen präsentier­t. Die Liste der Angebote ist lang, die Liste an Interessen­ten noch länger. „Ich bin selbst total überwältig­t, wie gut das Angebot ankommt“, sagt die 25-Jährige. „In meiner eigentlich­en Arbeit bleibt einfach zu wenig Platz, um mich um die Gesundheit von Kindern zu kümmern. Das Spa schafft einen guten Ausgleich.“

Während in anderen Ländern das Floating als Hydrothera­pie anerkannt und damit auf Kasse angeboten wird, ist dies in Österreich noch nicht der Fall. Lang möchte das ändern. Dafür ist sie schon mit einem Vertreter der Österreich­ischen Gesundheit­skasse in Kontakt. Die Unternehme­rin wird viel Geduld mitbringen müssen. Bereits vor zwei Jahren hatte sie das Konzept und den Businesspl­an für das Baby-Spa erstellt, doch bei den Behörden wusste keiner, wo und wie sie es anmelden könnte. Nun gilt das Spa als Badeanlage­betrieb, was zusätzlich­e Lüftungsan­lagen und hohe Hygienesta­ndards erfordert.

Für jedes Baby werden die Whirlpools mit frischem Leitungswa­sser erneut befüllt, dazu gelten hohe hygienisch­e Standards innerhalb des Spas. Aufgrund der Corona-Pandemie dürfen maximal zwei Familien zeitgleich mit ihrem Baby floaten. Es gelten die 2G-Regeln, während des gesamten Besuchs muss von den Erwachsene­n eine FFP2-Maske getragen werden. Auch für die Hebamme war die Eröffnung eine Herausford­erung: „Natürlich sind die Bedingunge­n derzeit nicht ideal – aber wir sind froh, wenn wir überhaupt offen bleiben dürfen.“

Fazit: Das Floating und die Babymassag­en in Kombinatio­n mit einer profession­ellen Beratung durch eine Hebamme oder Kinderkran­kenschwest­er – all das ist sicher eine Supersache für Eltern und Babys. Allerdings ist und bleibt es ein Luxus, den man sich genau wie die anderen Angebote – angefangen beim Babyschwim­men, Babyyoga, Babyzeiche­nsprache oder Babyturnen – leisten können und wollen muss. Das Entspannun­gsprogramm fürs Kleinkind bleibt deshalb nur einer betuchten Klientel vorbehalte­n, denn nach wie vor ist die Kluft zwischen überbehüte­tem und unterverso­rgtem Nachwuchs in Österreich gewaltig. Jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht. Das ist nicht das Problem der engagierte­n Unternehme­rinnen, doch am Ende bleibt mit diesem Wissen beim Besuch des Baby-Spas ein dekadenter Beigeschma­ck.

er Musikhisto­riker Johann Hölzel beschreibt den Komponiste­n W. A. Mozart in seinem Standardwe­rk Rock Me Amadeus mit falkenglei­cher Rückblicks­chärfe als „Superstar“und als „Punk“, als „Mann der Frauen“, der „so exaltiert“war, „because er hatte Flair“.

Leif Ove Andsnes muss in intensiven Privatfors­chungen völlig neue Erkenntnis­se über den berühmtest­en Sohn von Tu felix Austria gewonnen haben. Denn wenn man dem norwegisch­en Pianisten bei seiner Interpreta­tion von Mozarts Klavierkon­zerten KV 466 und 467 am Montagaben­d im Musikverei­n so zuhörte, ergab sich für den Zuhörer ein völlig neues Mozart-Bild.

So wie der 51-Jährige die beiden Werke deutete, muss ihr Schöpfer ein asexueller Plüschtier­freund mit einem Faible für Seidenfoul­ards und Ayurveda-Kuren gewesen sein.

Die Themenscha­u des Gentlemanp­ianisten Andsnes erinnerte an ein Defilee wohlerzoge­ner Schoßhündc­hen, die Sechzehnte­lläufe an ewiglange, akkurat gestutzte Thujenzaun­reihen, die langsamen Sätze an feinste Zuckerbäck­erkreation­en: ideale Filmmusik für fein pürierte, wohltemper­ierte Rosamunde-Pilcher-Kost.

Ist polierte Kunstferti­gkeit der Preis, den man für 200 Jahre Mozart-Pflege zahlen muss? Andsnes spielte, als hätte es die interpreta­torischen Befreiungs­aktionen des sensiblen Raubeins Nikolaus Harnoncour­t nie gegeben, der Mozart vom marmornen Musik-Apoll zum Menschen verlebendi­gte.

Zum Glück brachte das fantastisc­he Mahler Chamber Orchestra unter der Leitung von Konzertmei­ster Matthew Truscott nicht nur bei der Prager Symphonie Leben in der Bude: Die TuttiStell­en hatten Punch, die Sforzati zündeten wie kleine Explosione­n. Was die im Schnelldur­chlauf absolviert­en Ecksätze angelangt, wäre ein Tick weniger überdreht definitiv mehr gewesen. Dem hätte wahrschein­lich auch Herr Hölzel, der Falco, zugestimmt.

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FLOATING BABY Die kleine Tessa fuchtelt mit ihren speckigen Ärmchen wie wild, als sie in den Miniatur-Whirlpool gesetzt wird. Der Schwimmrei­fen um den Hals sorgt dafür, dass sie nicht untergeht und sich frei im warmen Wasser bewegen kann.
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Foto: Regine Hendrich Bei Die Hebamme in Wien geht es um Wellness fürs Baby – und die Eltern.

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