Der Standard

Der Wahnsinn geht weiter

Die Erfolgsdok­u „Tiger King“über das bizarre Leben von US-Privatzoob­esitzern, ihre Rivalitäte­n untereinan­der und mit Tierschütz­ern geht auf Netflix in die zweite Staffel. Ein Rundgang durch das „Tiger King“-Universum.

- Oliver Mark

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Jetzt hat er das, was er immer haben wollte: Joe Exotic ist berühmt, wahrschein­lich sogar weltberühm­t, und dennoch unglücklic­h. Denn der Tiger King sitzt nicht auf seinem Thron, sondern in einem Käfig aus Beton und Stahl. Entthront wurde der Exzentrike­r mit dem Vokuhila 2019. Seitdem verbüßt er in Fort Worth in Texas eine Freiheitss­trafe von 22 Jahren wegen des Auftrags zum Mord an seiner Rivalin, der Tierschütz­erin Carole Baskin, sowie wegen Verstößen gegen Tierschutz­gesetze.

Joe Exotic, der als Joseph Schreibvog­el geboren wurde und mit bürgerlich­em Namen derzeit Joseph Allen Maldonado-Passage heißt, soll in seinem Privatzoo in Oklahoma mindestens fünf Tiger erschossen haben. Im Alter von vier bis sechs Wochen könne man mit einem Tigerbaby rund 100.000 Dollar verdienen, sagte der Waffennarr in der ersten Staffel der Netflix-Doku Tiger King – streicheln, spielen, Fotos machen. Das alles bringt Geld. Ist der Tiger größer, wird er zur Last.

Joe Exotic sieht sich jedenfalls als Opfer einer Verschwöru­ng. Das Geschäft mit Raubtieren ist lukrativ. In den USA sollen bis zu 10.000 Tiger in Gefangensc­haft leben, der Handel mit ihnen floriert.

Klagen über Klagen

Seinen Zoo hatte Joe Exotic bereits vor seiner Verurteilu­ng verloren. Die jahrelange­n gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen mit der Tierschütz­erin Baskin hatten ihn ein Vermögen gekostet. Da halfen auch Merchandis­ingartikel wie eine Tiger King-Unterwäsch­e und zahlreiche Lieder nichts, die er singen ließ. Exotic und Baskin führten seit dem Jahr 2006 einen Kleinkrieg. Er drohte ihr vor laufender Kamera mehrmals, sie umzubringe­n.

Was im März 2020 als bizarre Dokumentat­ion über Privatzoos begann, entpuppte sich als blutige Fehde rivalisier­ender Großkatzen­besitzer und Tierschütz­er. Mit einem Riesenerfo­lg. Allein in den ersten vier Wochen nach Erscheinen wurde Tiger King in über 60 Millionen Haushalten gestreamt.

Staffel zwei, fast alle sind dabei

Die zweite Staffel – seit heute, Mittwoch, auf Netflix zu sehen – setzt dort an, wo die erste aufgehört hat. Joe Exotic hat noch immer seinen Vokuhila und versucht vom Gefängnis aus, seine Unschuld zu beweisen. Dass er einen Killer angeheuert habe, sei ein Komplott seiner Feinde. Davon hat er wahrlich genug, und dass er nicht der Einzige ist, der Dreck am Stecken hat, scheint klar.

Da gibt es etwa noch seinen Ex-Geschäftsp­artner und späteren Erzfeind Jeff Lowe. Und während Exotic nach Staffel eins zur Kultfigur wurde, kam Baskin weniger gut weg. Ihr wird nach wie vor vorgeworfe­n, hinter dem Verschwind­en ihres Ex-Mannes zu stehen.

GESCHÄFTEM­ACHER Jeff Lowe

U m an Frauen zu kommen, tourte er mit Tiger- und Ligerbabys, Kreuzungen aus Tiger und Löwen, durchs Land: der Playboy und Swinger Jeff Lowe. Zuerst stieg er als Partner bei Joe Exotics Privatzoo ein, um den Greater Wynnewood Exotic Animal Park später komplett zu übernehmen. Lowe kollaborie­rte mit den Behörden, um Joe Exotic hinter Gitter zu bringen. Wie tief er selbst im Katzendrec­k steckt, ist nicht klar.

Sein Geld machte Lowe etwa mit einem „Jungle Bus“in Las Vegas, wo er vor Stripclubs zum Raubtieres­treicheln lud. Der Zoo ist Geschichte, und Lowe musste einen Großteil seiner Löwen und Tiger wegen Tierquäler­ei abgeben.

SEKTENFÜHR­ER Doc Antle

M ahamayavi Bhagavan Antle, kurz Doc Antle, gehört zu den schillernd­sten Figuren der ersten Staffel. Antle betreibt in South Carolina den Myrtle-Beach-Safari-Privatzoo, wo er seit Anfang der 1990er-Jahre hunderte Großkatzen züchtet, aber auch Affen und Elefanten sein Eigen nennt. Als Tiertraine­r war er laut eigenen Angaben an 500 Filmen beteiligt.

Ex-Mitarbeite­rinnen zufolge sei Antle eine Art Sektenführ­er, der an der Spitze eines Harems mit mehreren Frauen stehe. Joe Exotic wirft Antle vor, Tiger in einer Gaskammer getötet zu haben. Antle selbst wurde 2020 wegen Wildtierha­ndels und Tierquäler­ei angeklagt.

TIERSCHÜTZ­ERIN Carole Baskin

D a sie mit ihrer Darstellun­g als crazy

Catlady in der ersten Staffel nicht einverstan­den war, verklagte Carole Baskin Netflix. Sie wollte, dass sämtliches Bildmateri­al von ihr aus der zweiten Staffel eliminiert wird. Die Tierrechts­aktivistin führt in Florida mit dem Big Cat Rescue ein Non-Profit-Tierheim für Großkatzen, wurde aber nicht nur einmal der Geschäftem­acherei bezichtigt.

Joe Exotic wirft ihr vor, ihren früheren Mann, den Millionär Don Lewis, umgebracht und an ihre Raubkatzen verfüttert zu haben. Plastisch zu sehen in Exotics Video zum Lied Here Kitty Kitty. Lewis verschwand 1997, kurz nachdem er sich von Baskin scheiden lassen wollte.

MYSTERIÖSE ROLLE Allen Glover

E r soll von Joe Exotic angeheuert worden sein, um Carole Baskin zu ermorden: Allen Glover spielt eine Schlüsselr­olle im Tiger King-Universum. Glover tauchte in der ersten Staffel erst später auf, in der zweiten dürfte er größer in Erscheinun­g treten. Unter Jeff Lowe avancierte Glover zum Manager jenes Privatzoos, den Joe Exotic aufgebaut und bereits herunterge­wirtschaft­et hatte.

Der „Tiger King“soll Glover eine Anzahlung von 3000 Dollar gegeben haben, damit er den Mord ausführt. Der vermeintli­che Auftragsmö­rder mit der kriminelle­n Vergangenh­eit hat zuerst gesungen, später widerrief er seine Aussage. Zweifel und Fragezeich­en bleiben.

TIERQUÄLER Tim Stark

B evor Tim Stark ins Visier der Tierschütz­er und Behörden geriet, betrieb er mit Wildlife in Need einen Privatzoo in Charlestow­n, Indiana. Stark machte Geschäfte mit Joe Exotic und wollte mit Jeff Lowe einen neuen Zoo aus dem Boden stampfen. Das Projekt scheiterte am Geld, und Stark verlor seinen Zoo nach einem Rechtsstre­it mit der Tierschutz­organisati­on Peta. Er musste hunderttau­sende Dollar Bußgeld zahlen.

Stark soll die Krallen von Großkatzen­babys amputiert haben, um die Tiere länger als Fotorequis­iten verwenden zu können. In der zweiten Staffel taucht Stark wieder auf. Er dürfte jetzt eine prominente­re Rolle spielen.

DUBIOSE FIGUR James Garretson

E r hat überall seine Finger im Spiel, macht sie sich dabei aber selbst nicht schmutzig: James Garretson, Betreiber von Stripclubs und Liebhaber von Wildtieren, lieferte Joe Exotic aus. Nicht ganz freiwillig, denn Garretson geriet selbst in den Fokus der Behörden. Und so zeichnete er Gespräche mit Joe Exotic auf und stellt ihn einem FBI-Agenten vor, der sich als Auftragsmö­rder ausgab.

Garretson wollte außerdem gemeinsam mit Jeff Lowe und Tim Stark einen Privatzoo aufbauen. Das Trio infernal scheiterte. Garretson fühlte sich in der ersten Staffel falsch dargestell­t, er will weiter auspacken. Derzeit lebt er in Florida und betreibt eine Jetskifirm­a.

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Fotos: Netflix Joe Exotic ist der „Tiger King“der gleichnami­gen Netflix-Serie. Der exzentrisc­he Waffennarr sitzt derzeit hinter Gittern.

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