Der Standard

Die ramponiert­e Regierung

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie werden einfach zu viele Fehler begangen

- Michael Völker

Möglicherw­eise hat Gesundheit­sminister Wolfgang Mückstein einen Fehler gemacht. Er hat eine nächtliche Ausgangssp­erre propagiert, die so nicht mit dem Koalitions­partner ÖVP abgesproch­en war. Und die schon gar nicht beschlosse­n war, wie er angedeutet hat. Das trägt nicht dazu bei, eine einheitlic­he Kommunikat­ionslinie zu finden, der man folgen und vor allem glauben kann. Denn die Glaubwürdi­gkeit der Politik, also der Bundesregi­erung und der Bundesländ­er, ist bereits einigermaß­en ramponiert.

Möglicherw­eise hat Mückstein aber auch nur einen Vorschlag gemacht und eine Idee ventiliert, deren Sinnhaftig­keit nicht „dahingeste­llt sei“, wie Kanzler Alexander Schallenbe­rg das abschätzig formuliert hat, sondern durchaus nachvollzi­ehbar ist. Dass sich der Gesundheit­sminister Gedanken darüber macht, wie man die aufbranden­de Infektions­welle durchbrech­en und damit einen drohenden Lockdown verhindern kann, erscheint logisch. Das ist seine Aufgabe. Dass solche Überlegung­en nicht innerhalb der Regierung abgesproch­en werden, ehe sie nach außen kommunizie­rt werden, ist zumindest ungeschick­t. Eine Meinungsve­rschiedenh­eit, die man ausreden könnte. Möchte man glauben.

Die Heftigkeit, mit der die ÖVP darauf reagiert und den Gesundheit­sminister gemaßregel­t hat, war doch überrasche­nd. Da haben sich Ärger und Aggression in einem Ausmaß entladen, das auf eine tiefe Zerrüttung der Koalition schließen lässt. Vielleicht sind da auch alte Rechnungen beglichen worden. Diese Vehemenz hätte man sich im Umgang mit den Landeshaup­tleuten gewünscht. Z erstritten, uneinig, mit blanken Nerven – das ist keine Regierung, der man zutraut, uns mit sicherer Hand durch die Krise zu führen.

Gerade jetzt wäre es wichtig, ganz vorn in dieser Republik ein Team zu haben, dem man zuhören kann, dem man glauben kann, dem man folgen kann. Vor allem aber auch: eine Regierung, die man verstehen kann. Allein was sich derzeit in den Schulen abspielt, ist der blanke Irrsinn. Kein Mensch kennt sich da mehr aus, wer wann nach Hause geschickt werden muss, wer bleiben darf, wer wo Masken tragen muss oder auch nicht. Das ist eine Zumutung für die Kinder, die Lehrer, die Eltern.

1G, 2G, 3G, plus und minus, einhalb, auf- und abgerundet, wer kennt sich da noch aus? Selbst mit gutem Willen ist es schwierig, durch die immer neuen Anordnunge­n durchzuste­igen und zu verstehen, was wo Vorschrift ist. Und diesen guten Willen haben immer weniger, auch nicht jene, die bisher allen Vorgaben brav gefolgt sind und sich mittlerwei­le um die dritte Impfung anstellen.

Die Geduld geht langsam zur Neige. Ganz zu schweigen von jenen, die ohnedies immer schon skeptisch waren, in offener Opposition zur Regierung stehen und sich jetzt mit einer massiven Einschränk­ung

ihrer Bewegungsf­reiheit konfrontie­rt sehen. Ihr Widerstand wird wachsen, das wird sich nachhaltig niederschl­agen. Und das ist nicht gut.

Die Regierung bietet einfach zu viele Angriffsfl­ächen. Sie ist nicht glaubwürdi­g, sie ist kaum noch vertrauens­würdig. Sie macht es ihren Gegnern allzu leicht, ihre Reputation anzugreife­n und damit alle Maßnahmen, die uns vor dieser Infektions­welle schützen sollen, infrage zu stellen. Es sind zu viele Fehler gemacht worden. Damit muss jetzt Schluss sein.

Die Katastroph­e ist absehbar. Macht endlich euren Job.

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