Ärzte, Wissenschafter und Lehrer fordern Total-Lockdown
Ausgangsbeschränkungen für Nichtgeimpfte reichen laut Experten aufgrund hoher Infektionszahlen nicht aus
Immer mehr Expertinnen und Experten sprechen sich für eine Ausweitung der aktuellen CoronaMaßnahmen aus. Die momentan gültigen Ausgangsbeschränkungen für den ungeimpften Teil der Bevölkerung reichten nicht länger aus, glaubt etwa Rainer Thell, leitender Oberarzt der Notfallaufnahme in der Klinik Donaustadt (früher SMZ Ost). Er plädiert für einen Lockdown für alle, denn: „Es geht sich sonst nicht mehr aus.“
Es könne, so Thell, „nicht sein, dass in Salzburg Menschen sterben und keine mutigen Entscheidungen getroffen werden, die auf der Hand liegen“. Wer glaube, dass nur Salzburg und Oberösterreich von der vierten Welle betroffen sein würden, der irre.
Seit Montag gilt in Österreich ein Lockdown für sämtliche Menschen, die weder geimpft noch genesen sind. Dass sich die Situation mit den nunmehrigen Maßnahmen einbremsen lassen werde, ist für den Mikrobiologen Michael Wagner von der Uni Wien mit Blick auf die sehr hohen Infektionszahlen „schwer vorstellbar“.
Frustriert über die Politik
Ohne „kurzen, harten Lockdown, um die Zahlen massiv nach unten zu bringen“, werde es vermutlich nicht gehen, sagt Wagner und zeigt sich „frustriert“, dass die Politik auch im zweiten Pandemieherbst „immer nur reaktiv“handle. Auch dem Virologen Norbert Novotny zufolge braucht es dringend „Wellenbrecher, damit dieser Tsunami nicht zu zerstörerisch wirkt“.
Aus den Schulen dringt ebenfalls der Ruf nach weiteren Schutzmaßnahmen. „Ohne kurzen harten Lockdown mit Schulschließung, um die Zahlen massiv nach unten zu bringen, wird es nicht mehr gehen“, hielten mehrere Lehrervertreter fest. Sie wünschen sich eine zweiwöchige Distance-LearningPhase, um dem Lehrpersonal Zeit für die Auffrischungsimpfung zu verschaffen, ein landesweit funktionierendes PCR-Testsystem aufzubauen, Luftreinigungsgeräte anzuschaffen und Kindern die Möglichkeit zum Impfen zu geben. Laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) stieg die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Sechs- bis 14-Jährigen zuletzt auf 1518,9 Fälle je 100.000 Einwohner.
Peter Klimek vom Complexity Science Hub geht hingegen nicht davon aus, dass Handel oder Schulen zwingend schließen müssten – zumindest nicht in ganz Österreich. Die jüngsten Zahlen zeigten, dass sich der Infektionsanstieg in einigen Bundesländern verlangsame, sagt das Mitglied des Covid-Prognose-Konsortiums, Wien oder das Burgenland könnten ohne harten Lockdown für alle auskommen. Sollten die aktuellen Restriktionen nicht reichen, empfiehlt Klimek nächtliche Ausgangssperren, ein frühere Sperrstunde, Einschränkungen für Großveranstaltungen und/oder die Forcierung von Homeoffice.