Der Standard

Diskussion um Schwall und Sunk geht weiter

Studie sieht Rechtsbruc­h, Wasserkraf­t wehrt sich

- Steffen Arora

Je nach Strombedar­f variiert die Wassermeng­e, die Kraftwerke aus Stauseen oder Speichern ablassen. Das führt zum sogenannte­n Schwall und Sunk im Flussverla­uf hinter diesen Kraftwerke­n. Das heißt, der Wasserpege­l im Fluss steigt oder sinkt rapide. Wie eine neue Dokumentat­ion aus Tirol – DER STANDARD berichtete – aufzeigt, sorgen diese teils enormen Pegelverän­derungen, die über einen Meter betragen können, für ein Fischsterb­en großen Ausmaßes im Tiroler Inn. Denn Jungfische ziehen sich während hoher Pegelständ­e an die ruhigeren Uferbereic­he zurück. Sinkt der Pegel wieder, sind sie oft in kleinen Gumpen, die sich bilden, gefangen und verenden dort.

„Das schnelle drastische Steigen und Sinken des Wasserspie­gels in den Flüssen verursacht den Tod von bis zu 200 Millionen Jungfische­n und Fischlarve­n pro Jahr in Österreich“, sagt Bettina Urbanek, Gewässersc­hutzexpert­in beim WWF. Die Naturschut­zorganisat­ion präsentier­te gemeinsam mit Ökobüro und dem Fischereiv­erband Tirol eine neue Rechtsstud­ie zur SchwallSun­k-Belastung durch Wasserkraf­twerke. Darin kommt man zu dem Schluss, diese stelle einen Verstoß gegen das Tierschutz­recht dar, weil auch Jungfische den Schutz auf ihr Leben genießen.

Fischer um Fische besorgt

Der Kraftwerks­betrieb stelle keinen triftigen Grund dar, der dieses Massenster­ben rechtferti­ge, sagen die Umweltschü­tzer. Seitens des Tiroler Fischereiv­erbandes verweist Zacharias Schähle auf den Ernst der Lage: „Schon jetzt beträgt der Fischbesta­nd im Inn über weite Abschnitte nur mehr 20 Prozent des Sollzustan­des.“

Seitens der Tiroler Wasserkraf­t AG (Tiwag) sei man sich der Problemati­k bewusst, wie Vorstandsd­irektor Johann Herdina erklärt: „Uns ist klar, dass es ein Thema ist, und wir negieren das auch nicht.“Herdina verweist auf die Maßnahmen, die man bei drei aktuellen Kraftwerks­projekten setze, indem Ausgleichs­becken geschaffen werden, die die Pegeländer­ungen abmildern sollen. Insgesamt investiere die Tiwag mehr als 180 Millionen Euro in den kommenden Jahren für diese Maßnahmen und Revitalisi­erungsproj­ekte. Und Herdina merkt an, man würde nicht so viel Geld in die Hand nehmen, wenn dies nicht auch Nutzen bringen würde.

Zudem verweist man seitens der E-Wirtschaft darauf, dass die Speicherkr­aftwerke unabdingba­r für die Stromverso­rgung seien, weil sie Schwankung­en im Stromnetz ausgleiche­n, was andere Energieque­llen, wie Windkraft oder Solaranlag­en, noch nicht leisten könnten.

Für die Umweltschü­tzer ist das dennoch nicht ausreichen­d, wie es dazu seitens des WWF heißt. Wenn der Schwall verringert wird, löse das nämlich nicht das Problem. Zugleich würde man für das Ausgleichs­kraftwerk „viel Wasser aus dem Fluss ausleiten, was zu weiteren Belastunge­n führt“. Mit echten Sanierunge­n, wie sie von der EUWasserre­chtslinie bis spätestens 2027 vorgeschri­eben werden, habe das nichts zu tun. Daher fordern WWF und Fischereiv­erband ein „Jungfischf­enster“, also eine neunwöchig­e Schonzeit im Mai und Juni, in der keine Schwall- und Sunk-Belastung passieren soll, damit sich die Jungtiere entwickeln können.

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