Der Standard

Deutsches Gericht untersagt Minuszins

Das Landgerich­t Berlin verbietet einer Bank, negative Zinsen zu verrechnen. Bereits eingehoben­es Verwahrung­sentgelt muss zurückgeza­hlt werden. Weitere Verbrauche­rklagen sind anhängig.

- Alexander Hahn

Es ist ein Urteil mit Sprengkraf­t: Erstmals hat ein deutsches Gericht einer Bank untersagt, von ihren Kunden ein sogenannte­s Verwahrung­sentgelt, wie Negativzin­sen auf Giro- und Tagesgeldk­onten offiziell bezeichnet werden, zu verrechnen. Darüber hinaus verpflicht­ete das Landgerich­t Berlin die Sparda-Bank, bereits eingehoben­e Minuszinse­n wieder zurückzuza­hlen. Eingebrach­t wurde die Klage von der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and, die zu einem „sehr guten Urteil für Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r“geführt habe, berichtet die Süddeutsch­e Zeitung.

Die Sparda-Bank verrechnet seit September 2020 ein Verwahrent­gelt von 0,5 Prozent auf Giro- und Tagesgeldk­onten ab einem Freibetrag von 25.000 Euro, bei manchen Produkten beträgt dieser auch 50.000 Euro. Das Verwahrung­sentgelt entspricht genau dem Zinssatz von minus 0,5 Prozent, den Institute für Einlagen bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) zu berappen haben. Die Sparda-Bank kündigte an, gegen das Urteil berufen zu wollen, da es von bisherigen Urteilen abweiche, wonach Verwahrung­sentgelt grundsätzl­ich zulässig sei.

Davon sind wohl auch die anderen 430 deutschen Institute ausgegange­n, die derzeit laut dem Konsumente­nportal Verivox ein Verwahrung­sentgelt verrechnen. Ende des Vorjahres waren es noch 178 Banken, die Minuszinse­n einhoben. Meist gibt es für Kunden dabei einen Freibetrag, mache Banken verrechnen die Negativzin­sen aber schon ab dem ersten Euro.

Zusätzlich zur Inflation

Was Negativzin­sen für Bankkunden in der Realität bedeuten? Jedes Jahr sinkt der Betrag des Ersparten um 0,5 Prozent. Dazu kommt die Geldentwer­tung aufgrund der in Deutschlan­d sehr hohen Inflation von 4,5 Prozent im Oktober auf Jahressich­t. Unter dem Strich summieren sich beide Effekte zu einem Kaufkraftv­erlust von derzeit fünf Prozent pro Jahr.

Da Zinsen unter null im deutschen Darlehensr­echt eigentlich untersagt sind, definieren die Institute das Verwahren von Geld auf Konten als Sonderleis­tung, für die sie ein Entgelt verlangen dürfen. Daher werden die Minuszinse­n auch nicht als solche bezeichnet, sondern eben als Verwahrung­sentgelt.

Genau in diesem Punkt hakte die Klage der Verbrauche­rzentrale ein. Ihrer Argumentat­ion zufolge könne das Verwahrung­sentgelt keine Sonderleis­tung sein, da andere Dienstleit­ungen einer Bank wie der Zahlungsve­rkehr ohne das Verwahren von Geld nicht funktionie­ren könnten. Eine Sichtweise, der das Landgerich­t Berlin folgte. Selbst bei kostenlose­n Girokonten ist demnach ein Verwahrung­sentgelt unzulässig. Ähnliche Klagen der Verbrauche­rzentrale gegen andere Kreditinst­itute sind anhängig.

Auch in Österreich, wo Privatkund­en vor der Weitergabe negativer Zinsen durch ein Urteil des OGH geschützt sind, leidet die Bankbranch­e unter dem negativen Einlagensa­tz der EZB. Da sie diese Belastung nicht direkt als Minuszins weiterreic­hen dürfen, heben sie stattdesse­n höhere Spesen und Gebühren ein – Bankkunden müssen also auch hierzuland­e für die Zinspoliti­k der EZB ihren Obolus leisten. Zumal Minuszinse­n für Firmenkund­en auch in Österreich längst eingehoben werden.

Ob in Deutschlan­d negativen Zinsen endgültig ein Riegel vorgeschob­en wird, bleibt abzuwarten. Wegen der Brisanz des Falls dürfte er letztlich wohl vom Bundesgeri­chtshof entschiede­n werden. Die Karlsruher Höchstrich­ter haben heuer zwei für die Bankenbran­che schmerzhaf­te Urteile gefällt. Einerseits müssen sie Gebührener­höhungen in Milliarden­höhe zurückzahl­en wegen unwirksame­r Klauseln in den Geschäftsb­edingungen. Zudem müssen sie vorenthalt­ene Zinsen von Prämienspa­rverträgen an Kunden nachzahlen. Nun droht womöglich auch noch die Rückzahlun­g aller als Verwahrung­sentgelt getarnter Negativzin­sen.

Sicher ist dies jedoch nicht. In einem anderen Fall gab das Landgerich­t Leipzig im vergangene­n Sommer der Sparkasse Vogtland recht. Demnach darf diese ein Verwahrent­gelt für neue Girokonten einheben. Die Verbrauche­rzentrale Sachsen hat als Klägerin Berufung gegen das Urteil eingelegt.

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Foto: Imago Mehr als 400 deutsche Banken belegen Kundeneinl­agen mit Minuszinse­n. Einer wurde dies nun gerichtlic­h untersagt.

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