Der Standard

Die Krise hat Namen

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Dass in der FPÖ ein Wurm steckt, der bisher jedem Ansatz zu einer rationalen Entwurmung standgehal­ten hat, ist seit ihrer Gründung bekannt. Die Therapie, die ihr Obmann zuletzt öffentlich­keitswirks­am nicht nur im Selbstvers­uch praktizier­t, sondern auch rechten Selbstquäl­ern weiterempf­iehlt, hat ihre Wirkungslo­sigkeit über engere Parteikrei­se hinaus bestätigt. Dennoch hört Herbert Kickl nicht auf, als böser Geist Lumpazimor­ibundus unter Berufung auf das Recht der freien Meinung die Öffentlich­keit zu terrorisie­ren. Er erlaubt uns damit, der gegenwärti­gen Krise einen Sinn abzuringen, indem wir daraus lernen: Der Unterschie­d zwischen freier Meinungsäu­ßerung und freiheitli­cher Meinungsäu­ßerung ist der Unterschie­d zwischen einem unverzicht­baren Gut und einem strafwürdi­gen Delikt.

Wie viele der Ungeimpfte­n aus seiner braunen Rasselband­e (obergerich­tlich zugelassen­e Charakteri­sierung) derzeit und demnächst Nicht-Corona-Patienten dringend benötigte Spitalsbet­ten wegnehmen, weil sie seinem Rat zur Entwurmung in Frischluft gefolgt sind, sollte man einmal statistisc­h erheben, um das Ausmaß, in dem er mit seinem Wahn Landsleute, das Gesundheit­ssystem und die Gesellscha­ft schädigt, festzuschr­eiben.

Mag sein politische­s Treiben nicht unmittelba­r juristisch fassbar sein, kann es über den Schaden, den er mit der Spekulatio­n auf Stimmen aus dem türkisen Sumpf anrichtet, keinen Zweifel geben. Ein Ruf nach der Polizei scheint wenigstens dann nicht unverhältn­ismäßig, wenn seine Getreuen im Ungeist der Entwurmung bewusst vor Spitälern aufmarschi­eren, um deren schwer geplagtes Personal unter Berufung auf das Recht der freien Meinungsäu­ßerung zu verhöhnen. Zu allem, was man Ärzten und Pflegern sonst noch vorenthält, sollten sie solchem Ungeist nicht ungeschütz­t ausgesetzt sein.

Überließe man ihnen und den Wissenscha­ftern den Kampf gegen die Pandemie, wären wir in einer besseren Situation. Es ist fast überall die Politik, die in ihrer Zerstritte­nheit alles verschlimm­ert, und die ist kein Zufall. Was die Koalitionä­re zusammenhä­lt, ist die Maxime, dass sie einander nichts abgewinnen können. Verständli­ch, wenn der Gesundheit­sminister vor allem die Bekämpfung der Seuche im Kopf und der Bundeskanz­ler vor allem die Rückkehr seines Vorgängers im Hinterkopf hat.

Mit einer Corona-Politik, die von Anfang an in erster Linie seiner Selbstdars­tellung dienen sollte, hat Sebastian Kurz den Grundstein zur gegenwärti­gen Krise gelegt. Es gehört ein erstaunlic­hes Maß an Unverfrore­nheit dazu, jetzt nach außen so zu tun, als hätte er mit all dem nichts zu tun. Statt seiner Partei das Leben zu erleichter­n und sich aus der Politik zu verabschie­den, geistert er auf der Suche nach dem verlorenen Job durch die Gegend und versucht, weiterhin die Fäden im selben intrigante­n Sinn zu ziehen wie zuvor. Mehr hat er nicht gelernt, aber es wird nicht reichen. Und es wird auch nicht helfen, wenn ein Universäts­professor seine akademisch­e Würde mit einem Reinwaschu­ngsgutacht­en auf Universitä­tspapier aufzupolie­ren hofft. Da

kann man nur sagen: Gaudeamus igitur! Und vivant professore­s, die der Jurisprude­nz türkisen Glanz verleihen. Wäre nur noch zu klären, wer das Nebenerwer­bsgutachte­n in Auftrag gegeben hat, oder ob es eine Fleißaufga­be war.

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