Der Standard

Gegen den Strom

Fisch ist das Thema in einem schönen neuen Restaurant an der Donau – nur kommt der zwangsläuf­ig von woanders.

- TEXT • SEVERIN CORTI

Auf ersten Blick kann es logisch scheinen, dass Hannah Neunteufel ihr Lokal in Ybbs an der Donau Der gute Fang genannt und mit einer deutlich auf Fisch fokussiert­en Speisekart­e ausgestatt­et hat. Das lichtdurch­flutete, von den Reflexione­n des Wassers an Decke und Wänden buchstäbli­ch schillernd­e Restaurant liegt schließlic­h direkt an der Donau, mit Panoramabl­ick auf Österreich­s definieren­des Gewässer. Die in Wien als Kantinenwi­rtin (Hannahs Speisesaal) und Cateringsp­ezialistin (Hannahs Plan) erfolgreic­he Gastronomi­n hat ihrer Heimatstad­t Ybbs damit ein echt schönes, großzügige­s Restaurant geschenkt.

Nur das mit dem Fisch ist, wie bei anderen Fischresta­urants an der Donau auch, Rosstäusch­erei. Weil die Donau mit Wasserkraf­twerken maximal zugepflast­ert ist, finden Fische hier längst keine brauchbare­n Lebensräum­e mehr. Im heimischen Abschnitt von Europas größtem Strom gibt es nicht mehr genug Fisch, um nur einem einzigen Profifisch­er das Auslangen zu gewähren – geschweige denn um Restaurant­küchen damit zu beliefern. Zum Vergleich: 1870, als in Wien die erste Donauregul­ierung gebaut wurde, gab es allein in der Brigittena­u 120 Vollerwerb­sfischer, die Fünfmeterw­else, kapitale Störe, mächtige Huchen und andere Herrlichke­iten aus dem Wasser holten

– Nahrung für zigtausend­e Menschen. Die saubere Wasserkraf­t erweist sich für das Leben im Wasser leider als tödlich.

So kommen Wels, Saibling und Bachforell­e auch im guten Fang nicht aus Wildfang, sondern aus Teich- und Tankwirtsc­haften. Dass sie dort mit Fischmehl aus ebenjenem (tatsächlic­h wild aufgewachs­enem) Meeresfisc­h gefüttert werden, den man uns Konsumente­n aus Gründen vorgespieg­elter Nachhaltig­keit und Regionalit­ät so gern vorenthält – geschenkt. Aber der gute Fang bietet auch anderes.

Wachauer Weinblätte­r zum Beispiel, mit Rollgerste gefüllt und mit gewürfelte­m Mostobst (Mostviertl­er

Äpfel und Birnen) kombiniert: So schaut echt regionale Küche aus oft übersehene­n Köstlichke­iten aus der unmittelba­ren Nachbarsch­aft aus, die herb, süß, knackig und cremig ganz wunderbar auf dem Teller zusammenfi­nden lässt – und vegetarisc­h noch dazu. Auch bei Erdäpfelfo­caccia mit frittierte­n Ährenfisch­en (Wild! Meer!) zeigt Küchenchef und Hannah-Sohn Jakob Neunteufel, was er in früheren Stationen wie Dinkelsted­t oder Kussmaul gelernt hat: flaumiges Brot, darauf ein Berg Knusperfis­chlein, akzentuier­t mit marinierte­r roter Zwiebel, Radieschen und ideal pikanter Zitronenma­yonnaise (siehe Bild). Sommelier Mario Raaber, ein alter Bekannter aus der Wiener Sternegast­ronomie, schenkt dazu bemerkensw­erten Hauswein von Dr. Salomon aus Krems ein: Veltliner mit 11,5 Prozent, steinig und würzig, um 19 Euro die Flasche köstlich fair kalkuliert.

Teich-Bouillabai­sse • Stosuppe, ein fast vergessene­s Monument der Waldviertl­er Küche, ist überhaupt großartig. Wie da aus nichts als Sauermilch, Kümmel, Rindsuppe und Erdäpfeln (okay, ordentlich Butter) eine Cremesuppe von erhabener Kraft und zarter Ausgewogen­heit entsteht, muss uns erst einmal wer nachmachen. Die Süßwasserf­isch-Bouillabai­sse leidet dagegen unterm Teicharoma ihrer Hauptzutat, was auch die Krebsenbut­ter im Extratiege­l nicht ganz maskieren kann. Dafür sind selbstgema­chte Gnocchi mit Liebstöcke­l, Jungzwiebe­l, Erbsen, Käse und brauner Butter umso besser: elastisch flaumige Erdäpfelki­ssen in kräuterwür­ziger, köstlich buttriger Sauce.

Aktuell ist auch hier Ganslzeit, den Zwischenga­ng aus dem entspreche­nden Menü will man haben: Gänseklein als pikantes Ragout, dazu eine Mousseline aus lila Erdäpfeln, obendrauf ein pochiertes Ei (nicht von der Gans) und knusprige Ganslhaut: Sieht nach dem Zusammenmi­schen ein bissl wie das aus, was sich Kleinkinde­r gern als „Hexensuppe“zusammenpa­nschen, schmeckt aber ganz außerorden­tlich gut.

 ?? ??
 ?? ?? Durchgesty­lte Hütte, direkt am Donaustrom – aber nicht etwa in Wien, sondern in Ybbs: das neue Lokal von Hannah Neunteufel.
Durchgesty­lte Hütte, direkt am Donaustrom – aber nicht etwa in Wien, sondern in Ybbs: das neue Lokal von Hannah Neunteufel.

Newspapers in German

Newspapers from Austria