Die große Orgel spielt Impflotterie
Initiative des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für gesellschaftliches Anliegen – Kanzler und Minister informiert
Einmal noch zieht der ORF unter Alexander Wrabetz für ein großes Thema der Gesellschaft alle Register von Österreichs größter Medienorgel: Eine große Lotterie soll Menschen landesweit motivieren, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Montagabend startete Wrabetz, noch bis Jahresende ORF-Generaldirektor, die Impflotterie in einer großen Sondersendung, die Publikumsfragen zu Corona beantwortete.
Einige Schlüsselkräfte des ORF, einige davon wie Wrabetz schon im Abgang, haben den Langzeitgeneral dazu motiviert. Franz Manola, über viele Jahre Vordenker und Stratege des ORF im Hintergrund, Erfinder von ORF.at und dem Streamingprojekt ORF-Player, erinnerte den öffentlichrechtlichen Rundfunk vor etwa zwei Wochen an seine gesellschaftliche Verantwortung, seine Aufgabe im Dienst der Allgemeinheit:
„Wir sollten noch einmal die große Orgel anwerfen.“Das Bild der Medienorgel geht auf ihren langjährigen Organisten, Ex-ORF-General Gerd Bacher, zurück. Nur der ORF bringe eine solche große Initiative zuwege. Eine große Sendung, die auf die Fragen der Bevölkerung eingeht, ohne Politiker und Konfrontation von Gegnern, Befürwortern, Skeptikern von Corona-Maßnahmen, aber mit viel Raum für Bedenken. Zu sehen am Montag in ORF 2, ideal besetzt mit Moderatorin Barbara Stöckl. Manola war nicht der Erste mit der Idee: Schon im Juli mailte der Verleger Lojze Wieser dem ORF-General: Er möge eine Sendung aus dem Boden stampfen, „wo Menschen über Corona, die derzeitigen offenen Fragen besprechend, hinterfragend, von einigen Deiner Besten moderiert, über den Sommer – begleitend und auf den Herbst schauend – diskutieren, beraten, kritisieren“. Die Mail ging im Sommer im Wahlkampf um den ORF-General unter.
Keine Anstalten der Regierung
Pius Strobl, Wrabetz’ umsetzungsstarker Manager vom 303-Millionen-Bauprojekt bis zu Licht ins Dunkel, organisierte die Lotterie, Vermarktungschef Oliver Böhm schnorrte Sachpreise vom E-Auto bis zum Fertigteilhaus. Unterhaltungschef Alexander Hofer organisierte die Sendung mit einer Million Zuschauer in zwei Wochen. Schneller mit einem ähnlichen Format war Puls 4 am Sonntag vor einer Woche.
Zwischen Montagabend und Dienstagfrüh meldeten sich 180.000 Menschen auf werimpftgewinnt.orf.at an.
Warum startet der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Impflotterie? Die einfachste Antwort: weil die österreichische Bundesregierung bisher keine Anstalten machte, die Bevölkerung mit solchen Goodies zum Impfen zu motivieren.
ORF-Chef Wrabetz hat Kanzler und Gesundheitsminister über die Lotterie nur informiert. Wrabetz erklärt die Initiative auf Anfrage so: „Mir war wichtig, dass der ORF seiner gesellschaftlichen Aufgabe gerecht wird und sich mit ganzer Kraft einsetzt, um das Impfanliegen mit Information und Motivation zu unterstützen.“
Das ORF-Gesetz verlangt „angemessene Berücksichtigung und Förderung sozialer und humanitärer Aktivitäten“, auch „des Verständnisses für alle Fragen des demokratischen Zusammenlebens“.
Die FPÖ wirft dem ORF „einseitige Propaganda“vor, die Lotterie bestätige ihre Forderung nach GIS-Abschaffung. (fid)