Der Standard

WHO rechnet mit 700.000 weiteren Toten in Europa

Vor allem in Mittel- und Osteuropa steigen derzeit die Sterberate­n stark an

- Michael Vosatka

Obwohl die Durchimpfu­ngsraten in Europa höher sind als in vielen anderen Regionen der Welt, ist der Kontinent im Moment im Griff der jüngsten CoronaWell­e. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) befürchtet, dass in Europa bis zum Frühjahr hunderttau­sende Menschen an Covid-19 sterben könnten.

In praktisch allen europäisch­en Staaten sei eine hohe Belastung der Intensivst­ationen zu erwarten. Konkret sei mit einem Anstieg der Todeszahle­n bis Anfang März auf insgesamt 2,2 Millionen zu rechnen – das würde 700.000 weitere Tote bedeuten.

Drei Faktoren

Die WHO sieht drei Faktoren als verantwort­lich für die steigenden Zahlen: Die aus Indien stammende sogenannte Delta-Variante des Virus dominiere die Welle in Europa. Trotz der Verfügbark­eit der Impfstoffe seien aber viele Menschen noch immer nicht geimpft. In den 53 Staaten, die die WHO zur europäisch­en Region zählt, beträgt die Durchimpfu­ngsrate aber immerhin fast 54 Prozent. Als weiteren Grund macht die WHO die Tatsache aus, dass manche Regierunge­n der Bevölkerun­g signalisie­rt hätten, dass nach der Impfung keine Bedrohung mehr vorhanden sei.

Meiste Tote in Bulgarien

Die höchsten Neuinfekti­onsraten gibt es zurzeit in Mittel- und Osteuropa. Die Slowakei, Tschechien, Österreich und Slowenien weisen derzeit eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 1000 Fällen auf. Die Inzidenz ist jedoch nur bedingt für Vergleiche brauchbar, da die Zahlen stark von der Anzahl der durchgefüh­rten Tests abhängen. Bei den Todeszahle­n liegt Bulgarien derzeit weltweit voran. Fast 20 Corona-Tote auf eine Million Einwohner sind viermal so viele wie in Österreich im Vergleichs­zeitraum. Bei den Impfraten bildet Bulgarien das Schlusslic­ht der EU.

Mehrere EU-Staaten folgen bei den Sterberate­n knapp dahinter, unter anderen Lettland, Kroatien, Ungarn und Rumänien. In Bukarests Universitä­tsspital sind die Kapazitäte­n der Leichenhal­le erschöpft. Diese verfügt über Platz für 15 Tote, doch zuletzt starben in dem Krankenhau­s 41 Menschen an nur einem Tag.

Zu wenig AZ verimpft?

Einen möglichen Grund für die ungleiche Entwicklun­g in Europa bringt Pascal Soriot ins Spiel. Der Chef des Impfstoffh­erstellers Astra Zeneca erinnerte am Dienstag in einem BBC-Interview daran, dass viele Länder vor allem ältere Personen nicht mit dem Vakzin des britisch-schwedisch­en Konzerns impfen ließen. 440 Millionen Dosen des Konkurrenz­produkts von Pfizer stünden nur 67 Millionen in Europa verabreich­te Dosen von Astra Zeneca gegenüber.

In Großbritan­nien habe es zwar einen Anstieg bei den Infektione­n gegeben, aber nicht so viele Krankenhau­saufenthal­te wie anderswo in Europa, erklärte Soriot. „Im Vereinigte­n Königreich wurde das Vakzin verwendet, um ältere Menschen zu impfen, während in Europa die Leute dachten, dass der Impfstoff bei älteren Menschen nicht wirkt.“

Soriot beruft sich auf Studien, die dem AZ-Impfstoff eine höhere Produktion von T-Zellen bescheinig­en, während die mRNA-Impfstoffe von Pfizer und Moderna für einen höheren Wert von Antikörper­n sorgen.

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