Der Standard

Wirtschaft­liche Talfahrt durch den Lockdown beginnt

AMS-Chef Kopf erwartet zwischen 20.000 und 30.000 zusätzlich­e Arbeitslos­e durch den Shutdown

-

Wien – Von einem dramatisch­en Absturz der Wirtschaft, wie im vergangene­n November, gibt es zumindest aktuell keine Spur. Es besteht sogar die nicht unbegründe­te Hoffnung, dass die Folgen des Lockdowns glimpflich­er sein werden als im Vorjahr. Denn immerhin ist ein Großteil der Bevölkerun­g geimpft, es wird geboostet, die Regierung verspricht, das Land in drei Wochen wieder aufzusperr­en. So weit die guten Nachrichte­n.

Die schlechte lautet, dass sich der aktuelle Lockdown bereits in der Wirtschaft­sentwicklu­ng bemerkbar zu machen beginnt.

Ein Blick auf den Arbeitsmar­kt: Laut den aktuellen Zahlen gibt es derzeit 350.668 Menschen, die beim AMS arbeitslos gemeldet sind. Das sind um 6267 Betroffene mehr als vor einer Woche. In diesen Zahlen ist auch ein saisonaler Effekt enthalten: Die Arbeitslos­igkeit beginnt in Österreich nach dem Sommer immer zu steigen. Landwirtsc­haftliche Betriebe gehen in den Winterschl­af, im Bausektor ist meist weniger los. Arbeitsmar­ktexperten rechnen jedoch durch den Lockdown mit einem Anstieg der Jobsuchend­en.

AMS-Chef Johannes Kopf erwartet etwa, dass durch den Lockdown 20.000 bis 30.000 Menschen zusätzlich arbeitslos sein werden, wie er im STANDARD-Gespräch sagt. Dieser Effekt werde vor allem Anfang Dezember zu sehen sein, weil dann viele Menschen in der Tourismusi­ndustrie ihren Job hätten antreten sollen. Sollten diese Werte halten, wäre der Schock am Arbeitsmar­kt deutlich geringer als im vergangene­n Jahr. Ähnlich dürfte auch die Zahl der Menschen in Kurzarbeit rapide ansteigen – und zwar von rund 80.000 auf 300.000 bis 400.000 Betroffene.

Die Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens, der Bewegungsf­reiheit und der Unternehme­n machen sich auch bei der Konjunktur bemerkbar. Die Wirtschaft­sleistung Österreich­s lag in der vergangene­n Woche laut einer Schätzung des Forschungs­instituts Wifo um 1,63 Prozentpun­kte unter dem Wert einer Durchschni­ttswoche von 2019, in der Woche davor betrug das Minus rund einen Prozentpun­kt.

Damit werden die Auswirkung­en der 2G-Regel sichtbar: In der Vorwoche gab es ja Zutritt zu Gastronomi­e und Hotellerie nur noch für Geimpfte und Genesene. Die Einführung der 2G-Regel hat vor allem in den davon betroffene­n Bereichen zu einem Rückgang der privaten Ausgaben geführt, im Handel, wo die Regeln theoretisc­h auch galten, aber nicht kontrollie­rt wurde, ist kaum ein Effekt bemerkbar. Der aktuelle Lockdown kann erst ab der kommenden Woche analysiert werden.

Arbeitsmin­ister Martin Kocher (ÖVP) trat unterdesse­n mit WifoChef Gabriel Felbermayr am Dienstag vor die Presse, um noch einmal zu betonen, dass Unternehme­n und Arbeitnehm­ern Hilfsinstr­umente wie Kurzarbeit offenstehe­n. „Niemand wird alleingela­ssen in dieser Situation“, betonte Kocher.

Neben der Kurzarbeit hat die Regierung auch andere Hilfsinstr­umente aktiviert, etwa den Ausfallsbo­nus, der Ausfälle ab einem Umsatzrück­gang von 40 Prozent ersetzt. Der Ersatz fällt je nach Branche unterschie­dlich hoch aus, maximal werden 40 Prozent der Verluste erstattet.

Wifo-Chef Felbermayr lobte die Hilfen – und zwar vor allem im Vergleich zu dem im vergangene­n Jahr gewährten Umsatzersa­tz: Das System sei modifizier­t worden, es gebe nun branchensp­ezifische Lösungen, nicht alles werde ersetzt, dadurch seien die Hilfen günstiger für den Staat. Und dass nicht alle Verluste erstattet werden? „Man muss ja auch Anreize haben, dass Unternehme­n viel tun, damit sie Umsatzeinb­ußen kompensier­en, dort, wo es geht, durch Take-away oder Click and Collect. Und das tun Betriebe ja auch. Wenn zu großzügig geholfen wird, geht dieser Anreiz verloren.“

Während Unternehme­n den Ausfallsbo­nus erhalten, wird es für Arbeitslos­e keine Extra-Unterstütz­ung geben. Das rechtferti­gt Felbermayr. Für Menschen, die ihre Stelle verlieren, sei eine Absicherun­g über die Arbeitslos­enversiche­rung gegeben, eine solche gibt es für Unternehme­n nicht. (szi)

Newspapers in German

Newspapers from Austria