Der Standard

Logistik für das Shopping der Zukunft

- Stefan May

Welchen Herausford­erungen sich die Logistik im Spannungsf­eld zwischen stationäre­m Einkauf und Online-Shopping stellen muss und welche Lösungen es gibt, diskutiert­en Experten beim Österreich­ischen Logistikta­g.

Dem US-amerikanis­chen Handelsunt­ernehmer Clarence Saunders verdanken wir das Konzept des Selbstbedi­enungsmark­ts. 1915 ließ er sich dieses patentiere­n. Ein Jahr später eröffnete er in Memphis, Tennessee, seinen ersten „Piggly-Wiggly-Store“, ein SB-Geschäft mit fertig verpackten Waren. Es war der erste Supermarkt der Welt. Eine Erfolgsges­chichte, wie man weiß. Mr. Saunders würde aber wohl nicht schlecht staunen, wenn er noch erlebt hätte, was aus seiner Idee geworden ist, welche Evolution sein Konzept durchlaufe­n hat, wo es heute, Stichwort „Online-Shopping“, steht. Wie sich die Ansprüche der Konsumenti­nnen und Konsumente­n dadurch verändert haben. Und was sich, verborgen vor deren Augen, im Hintergrun­d abspielt.

An eine Grenze gekommen

Genau darüber, über die Zukunft des Shoppings im Allgemeine­n und die logistisch­en Herausford­erungen im Speziellen diskutiert­en Expertinne­n und Experten beim Österreich­ischen Logistikta­g 2021 des Vereins Netzwerk Logistik (VNL) in Linz. „Dahinter steht mittlerwei­le eine Supply-Chain, die hochoptimi­ert ist“, sagte etwa Michael Schedlbaue­r von TGW Logistics, einem Produzente­n von Materialfl­uss- und Lagerlogis­tik-Lösungen für Lagerhaltu­ng, Produktion, Kommission­ierung und Distributi­on. „Aber das Thema“, hielt er fest, „kommt an eine Grenze. Wir brauchen neue Lösungen.“Spätestens zu Beginn der 2000er-Jahre habe sich mit dem Einsetzen des Online-Handels die Lage geändert. Womit sich, so stellt er fest, vor allem der Lebensmitt­elhandel schwertat. „Der letzte Push kam voriges Jahr“, konstatier­te Schedlbaue­r. Und spielte damit wohl auf die Verwerfung­en durch die Pandemie an.

Eines der Kriterien beim Einkauf sei Schnelligk­eit, der Wille, lange an der Kasse anzustehen, niedrig. Zudem wolle der Kunde flexibel sein und bei Convenienc­e-Produkten ein auf ihn zugeschnit­tenes Angebot erleben. Peter Prisching, Director of Shopconsul­t bei Umdasch Venture, ergänzte, dass auf Kundenseit­e Einfachhei­t, Entschleun­igung, sowohl online wie offline, erwartet werden: „Alles soll unkomplizi­ert, nah, bequem, unterhalts­am und maßgeschne­idert sein.“

Früher hätten die Erfolgsfak­toren in der Lage des Marktes, bei Personal, Sortiment und Prozesskos­ten gelegen, heute gehe es um Datenverwe­rtung. Das Personal sei inzwischen wichtiger als die Lage. „Die Läden müssen attraktive­r werden“, forderte Prisching. Es gehe um einen Wahrnehmun­gswettbewe­rb: „Der Konsument muss sich wohlfühlen. Man muss ihn überrasche­n, Dinge brechen, vorauswähl­en, die Atmosphäre muss stimmen.“Man setze daher auf Entschleun­igung. Persönlich­e Erlebnisse und Zusatzleis­tungen zählten.

Dem Kunden müsse der Einkaufspr­ozess so angenehm wie möglich gemacht werden, um ihm zu mehr Freizeit zu verhelfen, sagte Prisching. Einkaufsqu­alität plus Raumatmosp­häre sollen dazu beitragen. „Die Menschen sollen sich wie auf einem Marktplatz bewegen können. Die Fokussieru­ng liegt auf Transparen­z, Look and Feel“, sagte Prisching. „Verschiede­nste Layouts sind denkbar.“

Das Geschäft, das alles kann

Mit einem sogenannte­n Omnistore, einem Laden- und Logistikko­nzept, das die Stärken des stationäre­n Handels mit denen des E-Commerce verknüpfen soll, will TGW laut Michael Schedlbaue­r einen Schritt dorthin setzen. Die durchschni­ttlichen Einkaufsge­wohnheiten lägen bei einem einmaligen Großeinkau­f in der Woche und einigen kleinen dazwischen, meinte er. „All diese Bedürfniss­e würden wir gerne mit Omnistore abdecken.“Dafür habe man errechnet, welche Personen welche Bedürfniss­e hätten: „Dinge, die man immer braucht, kann man auch online bestellen. In den Laden kommt man für Produkte, an denen man ‚schnuppern‘ und über die man sich genauer informiere­n will.“Deshalb wolle man Online-Einkauf und Abholung mit dem Einkauf vor Ort kombiniere­n.

Die Kommission­ierung würde durch Automatisi­erung effiziente­r gemacht. Die Abholung außerhalb des Geschäftsl­okals könne rund um die Uhr erfolgen, jene im Gebäude diene dem Spontankau­f. Die Kommission­ierung sei ergonomisc­h und ermögliche bis zu 600 Picks pro Stunde, irgendwann werde sie per Roboter erfolgen.

Die Datenlands­chaften würden über Umdasch abgebildet, erklärte Peter Prisching. In Teilen sei der Omnistore schon umgesetzt, sagten er und Schedlbaue­r.

„Out of the Box“in Wien

Apropos Lösungen fürs Online-Shopping bzw. das damit verbundene immer größer werdende Paketaufko­mmen: Allein in Wien hätten sich die Paketsendu­ngen seit 2014 mehr als verdoppelt, hielt Stefan Tichacek von den Wiener Lokalbahne­n fest. „Der innerstädt­ische Transport ist nicht umweltfreu­ndlich organisier­t“, sagte er. „Paket- und Umschlagbo­xen können deutlich effiziente­r und ressourcen­schonender eingesetzt werden.“Daher habe man sich mit einigen Partnern an dem Aufbau des „Wienbox“-Netzwerks beteiligt, das ebenfalls beim Linzer Logistikta­g vorgestell­t wurde. Studien würden zeigen, dass sogenannte White-Label-Boxen, also neutrale, diskrimini­erungsfrei nutzbare Boxen für alle, einen deutlichen Mehrwert in Nachhaltig­keit und Effizienz böten, sagte er.

Nadine Adensam vom Projektman­agement Wien – Out of the Box wies auf eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen hin, die dadurch erreicht werden könnte. In der Bundeshaup­tstadt gebe es derzeit acht Anbieter für Boxensyste­me. Sie sollen nun zusammenge­fasst werden. Partner seien in erster Linie Unternehme­n der Wiener Stadtwerke, aber auch der Telekommun­ikationsan­bieter A1 sowie die FH des BFI als wissenscha­ftlicher Begleiter. Theoretisc­h stehen mehr als 200 Standorte in Wien auf privaten Flächen und Flächen der Stadtwerke zur Verfügung. Als ‚Nächstes soll eine einheitlic­he App-Lösung für die Wienbox eingeführt werden.

Ziel sei ein starkes und sichtbares Netzwerk unter einer Dachmarke, sagte Adensam. „Man kann dort Retouren und die Wäsche zum Waschen abgeben, Einkäufe und Pakete entgegenne­hmen.“Die Box diene der Dokumenten­lagerung oder als Schließfac­h. „Geschäfte könnten so ihre Öffnungsze­iten ausweiten“, sagte sie. „Etwa können Handyrepar­aturen telefonisc­h vereinbart und in der Box umgeschlag­en werden.“Das Ganze solle barriereun­d angstfrei erreichbar und rund um die Uhr bedienbar sein. Anfang Juli wurde die erste Box dieser Art in Betrieb genommen.

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Foto: Getty Images / iStockphot­o Neue Laden- und Logistikko­nzepte sollen die Stärken des stationäre­n Handels mit jenen des E-Commerce verknüpfen. Dafür braucht es unter anderem eine hochoptimi­erte, datenbasie­rte Supply-Chain.

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