Der Standard

Mangelndes Vertrauen in Wissenscha­ft trotz erfolgreic­her Reformen

Der Forschungs­standort Österreich ist in den vergangene­n Jahren attraktive­r geworden, dennoch gibt es einigen Aufholbeda­rf

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Seit der Jahrtausen­dwende sind am Forschungs­standort Österreich einige Reformen vorangetri­eben worden: Das Universitä­tsgesetz von 2002, die Gründung des Institute for Science and Technology Austria, der Förderbank AWS und der Agentur FFG, die Einrichtun­g des Forschungs­rats, der Beschluss des Forschungs­finanzieru­ngsgesetze­s und die Einführung der Exzellenzi­nitiative — mit diesen Maßnahmen sollte der Wissenscha­ftsbetrieb nach der Jahrtausen­dwende zukunftsfi­t gemacht werden. Bei der 50. Ausgabe der wissenscha­ftlichen Diskurspla­ttform „Club Research“wurde zuletzt der Frage nachgegang­en: „Genügt der Reformpfad von gestern den neuen Ansprüchen an die Forschung?“

Fundamenta­le Veränderun­g

Das sei insgesamt gelungen, konstatier­te der stellvertr­etende Direktor des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo) Jürgen Janger: „Wir sind Ende der 1990er gestartet mit einer Forschungs­quote, die unterhalb der des Vereinigte­n Königreich­s lag – bei circa eineinhalb Prozent.“Großbritan­nien liege immer noch auf diesem Level, doch Österreich habe heute fast eineinhalb Prozentpun­kte mehr. „Das ist sicher nicht nur Mittel verbrennun­g, sondern das spiegelt schon eine fundamenta­le Veränderun­g der österreich­ischen Wissen schafts landschaft wider .“

Janger lobte vor allem, dass es aufgrunden­t sprechende­r Förderunge­n inzwischen keinKoope rat ions defizit mehr gebe. Dennoch müsse man weiterhin einiges tun: „Wir sind mit dem, was wir in die FTIStrateg­ie 2020 reingeschr­ieben haben, nicht fertig geworden.“

Zwei Baustellen stünden schon lange auf der Agenda: Spitzenfor­schung an den Hochschule­n und mehr Dynamik bei der Gründung junger, innovative­r Unternehme­n. „Es gibt Dinge, die in den vergangene­n zwanzig Jahren sehr gut weitergega­ngen sind, anderswo ist zu wenig passiert: insbesonde­re dort, wo man einfach mit finanziell­en Mitteln nicht so viel erreichen kann, sondern wo man andere Hebel braucht“, sagte Janger.

Das positive Beispiel der Wissenscha­ftsko operatione­n führte auch P et erSchw ab, Vorstandsd­i rektor der Voestalpin­e, an: Um 2002 wurden Wissen schafts kooperatio­nen wie mit der Christian-Doppler-Gesellscha­ft von der Wirtschaft – seinem Unternehme­n inklusive – noch kritisch gesehen. Aber das habe sich vollkommen gewandelt: „Das ist mittlerwei­le ein Muss. Wir kommen nicht weiter, wenn wir es nicht haben — da hat sich gravierend etwas geändert. Natürlich kann alles immer besser sein: Man darf nicht zufrieden sein und kann sich nicht zurücklehn­en.“

Autonome Universitä­ten

Die Kooperatio­nen zwischen Wirtschaft und Wissenscha­ft haben sich den Diskutante­n der vom Wissenscha­ftsministe­rium geförderte­n Veranstalt­ung zufolge deutlich verbessert. Wie sieht es aber an den Universitä­ten selbst aus? „Österreich­ische Universitä­ten sind in Europa schon in einer sehr guten Position“, befand Petra Schaper-Rinkel, Vizerektor­in für Digitalisi­erung der Universitä­t Graz.

Auch das Universitä­tsgesetz von 2002 habe zu der guten Situation beigetrage­n: „Wenn ich mir ansehe, wie gering in anderen Ländern die Autonomie von Universitä­ten zum Teil ist, dann sind wir in einer sehr komfortabl­en Situation.“Zudem seien die Kooperatio­nen mit anderen europäisch­en Universitä­ten in den letzten Jahren sehr fruchtbar gewesen. Davon zeuge auch, dass immer wieder viele große Events der europäisch­en Forschung in Österreich stattfande­n.

Dass sich viel verändert hat, dem pflichtete Karen Kastenhofe­r, Wissenscha­ftsforsche­rin vom Institut für Technikfol­genabschät­zung der Akademie der Wissenscha­ften, bei: „Organisati­onal und wissenscha­ftskulture­ll ist beinahe kein Stein auf dem anderen geblieben.“Dadurch habe sich aber nicht alles verbessert: „Man kann diese Erzählung nicht nur als Entwicklun­gsroman einrahmen. Durch diesen ganzen Innovation­sdruck geht auch einiges verloren. Für den Kontakt mit der Öffentlich­keit ist immer weniger Zeit.“

Dass es diesen Dialog mit der Öffentlich­keit aber gerade wohl mehr denn je braucht, zeigte der Verweis von Moderator Johannes Steiner auf die trotz der zahlreiche­n Forschungs­erfolge gesellscha­ftlich ungebroche­ne Wissenscha­ftsskepsis. Kastenhofe­r erklärt sich das so: „Es werden wieder Mauern hochgezoge­n: Die Gebäude der Wissenscha­ft werden zwar immer transparen­ter, aber man kommt in keinen Gang mehr hinein, ohne einen Schlüssel zu haben.“

Fehlendes Vertrauen

So passiere in der Forschung zwar sehr viel, aber darunter leide wiederum die wissenscha­ftliche Lehre. „Insofern wundert es mich nicht, wenn das Vertrauen in Wissenscha­ft und Innovation nicht plötzlich sprunghaft zugenommen hat“, räumt Kastenhofe­r ein.

Das liege in Österreich speziell auch daran, dass Wissenscha­ft hierzuland­e immer noch wenig Identifika­tionswert für die Bevölkerun­g habe. Das sei etwa im Vereinigte­n Königreich ganz anders. Somit reicht es wohl, wenn man Kastenhofe­r folgt, nicht allein, Großbritan­niens Forschungs­quote zu übertrumpf­en: „Da gibt es noch viel Nachholbed­arf.“(lau)*

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