Der Standard

Immobilien­markt überhitzt zusehends

Die Preise für Wohneigent­um ziehen weiter davon, Banken sind bei der Vergabe von Immobilien­krediten zu lax, warnt die Oesterreic­hische Nationalba­nk. Einschreit­en will sie aber noch nicht. Warum wartet sie zu?

- András Szigetvari

Es war nicht das erste Mal in den vergangene­n Monaten, dass die Oesterreic­hische Nationalba­nk (OeNB) wegen der Überhitzun­g am Immobilien­sektor eine Warnung ausspricht. Aber die Alarmglock­en läuten immer lauter.

Am Mittwoch präsentier­te OeNBChef Robert Holzmann mit seinen Experten den neuen Finanzstab­ilitätsber­icht. Tenor dabei: Wenn die Banken nicht bald selbst den Kurs ändern, wird die Finanzaufs­icht eingreifen müssen.

Doch wo genau liegt das Problem? Die Preise für Wohnimmobi­lien bleiben in Österreich von der Entwicklun­g im übrigen Euroraum entkoppelt. Seit dem Jahr 2010 haben sich die Preise verdoppelt, im Euroraum lag der Anstieg dagegen bei lediglich knapp über 30 Prozent. Noch problemati­scher: Die Experten der Nationalba­nk versuchen auch zu bewerten, wie sehr die Preise für Wohneigent­um Hand in Hand mit der realwirtsc­haftlichen Entwicklun­g und der Entwicklun­g der Haushaltse­inkommen einhergehe­n.

Auch hier wird die Kluft in Österreich immer größer: Wohnimmobi­lien sind laut diesem Indikator um gut 30 Prozent überbewert­et. „Es zeigt sich eine zunehmende Überhitzun­g am Markt“, sagte Birgit Niessner, Chefökonom­in der Notenbank am Mittwoch.

Außer für Menschen auf akuter Suche nach Eigentum wäre diese Entwicklun­g kein gröberes Problem. Allerdings wird ein immer größerer Teil der Hypotheken über Bankkredit­e finanziert. Fallen viele dieser Darlehen aus, belastet das die Stabilität der Banken. Das Volumen der Wohnbaukre­dite ist allein seit

September 2020 um 6,8 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg war steiler als das Wachstum in der Eurozone. Österreich­s Banken sind laut Nationalba­nk zudem noch einmal laxer geworden bei der Kreditverg­abe.

Als Reaktion auf diese Entwicklun­g haben die österreich­ischen Finanzaufs­eher von der Aufsichtsb­ehörde FMA, der Nationalba­nk und dem Finanzmini­sterium schon vor längerer Zeit eine Reihe an Empfehlung­en abgegeben: So soll jeder Häuselbaue­r mindestens 20 Prozent Eigenkapit­al bei der Kreditaufn­ahme zur

Verfügung haben. Die monatliche­n Rückzahlun­gen sollen nicht mehr als 40 Prozent des Nettoeinko­mmens eines Haushalts ausmachen. Und die Laufzeiten der Darlehen sollen nicht länger als 35 Jahre sein.

Doch die Banken ignorieren diese Vorgaben zum Teil. Bei rund einem Fünftel der Hypotheken­nehmer machen die monatliche­n Belastunge­n mehr aus als die 40 Prozent des Nettoeinko­mmens. Warum also agieren die Finanzaufs­eher nicht strenger und machen aus den Empfehlung­en Vorgaben? Werden die

Banken hier mit Samthandsc­huhen angefasst?

Bei der Nationalba­nk wird das verneint und argumentie­rt, dass zwar die Risiken durch die Kreditverg­abe zunehmen, aber es noch keine Anzeichen für eine Blasenbild­ung gibt. Auf eine bevorstehe­nde dramatisch­e Preiskorre­ktur bei den Preisen für Wohnungen und Häuser gäbe es keinen Hinweis. Dazu kommt, dass die Arbeitslos­enzahlen bisher stabil waren und die Zahl der Schuldner, die ihre Kredite nicht bedienen kann, niedrig ist. Im Juni 2021 waren gerade 1,9 Prozent der Kredite der Banken notleidend, dass heißt, dass Schuldner mehr als 90 Tage in Zahlungsve­rzug waren.

Die Aufsicht will die Entwicklun­g weiter beobachten und analysiere­n.

Gegenargum­ent zu dieser kalmierend­en Sicht: Dramatisch­e Konjunktur­einbrüche, die in einer höheren Arbeitslos­enzahl resultiere­n und damit Schuldner in die Knie zwingen, sind selten vorhersehb­ar.

Nachteile für Bürger?

Wie wird diese Debatte unter Banken beurteilt? „Die Entwicklun­g der Immobilien­preise ist ohne Zweifel wild“, sagt Stefan Selden, Bankenbera­ter bei 720° Restructur­ing & Advisory. Zugleich würde jede Verschärfu­ng der Regeln bei der Kreditverg­abe dazu führen, dass sich Menschen weniger Wohneigent­um leisten können. Das sei zumindest bei hohen Mieten ein Nachteil für Bürger.

Banken argumentie­ren seiner Meinung nach zudem nicht zu Unrecht, dass die Nichteinha­ltung der 40-Prozent-Regel bei Einkommen oft nur zu Beginn einer Kreditaufn­ahme ein Problem ist. Mit der Zeit verdienen Haushalte tendenziel­l mehr Geld. Sie können sich dann auch die Kreditrate­n leichter leisten. Diese Aussage gilt freilich dann nicht, wenn Kredite variabel verzinst genommen werden, so Selden. In Österreich sind variable Darlehen noch immer beliebt.

Ein weiteres Argument aus der Bankenbran­che lautet: Die Immobilien­preise werden zu einem großen Teil durch Finanzinve­storen angefacht, die Wohnungen als reine Wertanlage kaufen. Auch hier wäre die Politik aufgeforde­rt, etwas zu tun.

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