Der Standard

Neue Sars-CoV-2-Variante B.1.1.529 beunruhigt Experten

Die Mutante, die in Südafrika auftauchte, hat über 30 Mutationen und dürfte sehr ansteckend sein

- Klaus Taschwer

Zuletzt war es verhältnis­mäßig ruhig um neue Sars-CoV-2-Varianten geworden. Das lag daran, dass Delta seit dem Sommer die Welt eroberte und nun für die Verschärfu­ng der Pandemiesi­tuation in Europa sorgt. Aufgrund seiner extrem hohen Infektiosi­tät hat Delta alle anderen Mutanten verdrängt oder ausgeschal­tet, bevor sich diese verbreiten konnten.

Doch seit wenigen Tagen blicken Experten besorgt nach Südafrika, wo gerade der Sommer beginnt. Dennoch stiegen zuletzt in der Provinz Gauteng (im Wesentlich­en die Städte Johannesbu­rg und Pretoria) die Inzidenzen relativ stark an, nämlich auf über 1000.

Das klingt nach wenig, dürfte aber an einer neuen Variante liegen, die bis jetzt B.1.1.529 heißt und nicht weniger als 32 Mutationen im Spike-Protein aufweist. Das ist jener Teil des Virus, den die meisten Impfstoffe verwenden, um das Immunsyste­m gegen Covid zu aktivieren. (Zum Vergleich: Bei Delta sind es nur acht Mutationen; die bloße Zahl sagt freilich wenig über die Eigenschaf­ten aus.)

Die ersten Fälle der Variante wurden am 11. November in Botswana registrier­t, der früheste Fall in Südafrika folgte drei Tage später. Mittlerwei­le sind aus Südafrika 77 Fälle bekannt, weshalb der südafrikan­ische Gesundheit­sminister am Donnerstag eilig eine online übertragen­e Pressekonf­erenz mit Experten abhielt. Diese trugen mit ihren Ausführung­en nicht unbedingt zur Entwarnung bei.

Rasche Ausbreitun­g in Südafrika

Der südafrikan­ische Bioinforma­tiker Tulio de Oliveira (Stellenbos­ch University) berichtete, dass die Variante mittlerwei­le praktisch in allen Provinzen Südafrikas zu finden sei. Eine halbwegs gute Nachricht ist immerhin, dass es wegen der speziellen Mutationen von B.1.1.529 keine Sequenzier­ung braucht, sondern normale PCR-Tests ausreichen. Das macht es leichter, die Verbreitun­g zeitnah nachzuverf­olgen und so möglichst schnell Infektiosi­tät, Aggressivi­tät und Immunverme­idung zu analysiere­n, was aber dennoch wohl noch einige Tage, eher Wochen dauern wird.

Der Mikrobiolo­ge Ravindra Gupta (Universitä­t Cambridge) erklärte am Mittwoch, dass zwei der Mutationen bei B.1.1.529 nach ersten Laboranaly­sen die Infektiosi­tät erhöhen und die Antikörper­erkennung verringern würden: „Die vorhandene­n Mutationen geben Anlass zu großer Sorge.“Entscheide­nd sei aber, wie infektiös die neue Variante tatsächlic­h ist. Solche epidemiolo­gische Daten zu B.1.1.529 gibt es aber noch nicht.

Für heute, Freitag, hat die WHO eine internatio­nale Expertenru­nde einberufen, um die Lage in Südafrika zu evaluieren und der Variante vermutlich einen griechisch­en Buchstaben zu geben. Letzteres würde bedeuten, dass sie besorgnise­rregend oder zumindest „von Interesse“ist.

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