Der Standard

Frankreich will EU-Reformen im Frühjahr fixieren

Paris drängt auf Abschluss bei eigenem EU-Vorsitz 2022 – Edtstadler setzt auf Bürgerfore­n und Jugend

- Thomas Mayer

Die „Konferenz zur Zukunft der Europäisch­en Union“– im Mai gestartet, um einen grundlegen­den Reformproz­ess anzustoßen – ist in der Halbzeit. Nach vier Treffen von Vertretern der Regierunge­n, der Kommission in Brüssel, Parlamenta­riern und Bürgerfore­n liegen bisher aber nur wenig greifbare Ergebnisse auf dem Tisch.

Dennoch will die französisc­he Regierung wie geplant bis zum Frühjahr konkrete Vorschläge für EUReformen realisiere­n. Das hat Europamini­ster Clément Beaune diese Woche klargemach­t. Paris übernimmt ab 1. Jänner den EU-Vorsitz. Befürchtun­gen, dass die Ende April stattfinde­nde Wahl des Staatspräs­identen den EU-Zug behindern könnten, wies Beaune zurück: Frankreich werde mit Hochdruck vom ersten bis zum letzten Tag, dem 30. Juni, für die europäisch­e Sache arbeiten.

Befürchtun­gen, dass Präsident Emmanuel Macron ins Straucheln geraten könnte, haben bei vielen Zweifel aufkommen lassen. Eine Stichwahl der zwei Bestplatzi­erten aus dem ersten Wahlgang wird ohnehin als fast sicher angenommen. Es sieht sogar so aus, dass Macron, der seit Jahren auf EU-vertiefend­e Reformen drängte, aber bei Deutschlan­d auflief, das Thema Europa ins Zentrum seines Wahlkampfe­s gegen starke Gegner aus dem radikal rechten Lager stellen wird. „Ich weiß nicht, ob die Wahl eine Auswirkung hat, aber ich gehe davon aus, dass Frankreich es ernst meint“, sagte Europamini­sterin Karoline Edtstadler dem Standard.

Treffen mit der Ministerin

Kürzlich traf Edtstadler in Wien junge Menschen zwischen 16 und 30 aus dem ganzen Bundesgebi­et, die in zehn Arbeitskre­isen eine thematisch­e Strukturie­rung ihrer Ideen vornahmen, was sie von Europa erwarten. Dies wird zusammenge­fasst beim nächsten Treffen auf europäisch­er Ebene eingebrach­t.

Die Teilnehmer kommen, wie sich zeigte, vor allem aus Jugendorga­nisationen, Schülerver­tretungen; es waren praktisch keine Vertreter von handwerkli­chen Berufen oder Bauern dabei. Das mag an der Art der Organisati­on solcher Bürgerfore­n liegen. Die Vermittlun­g des Themas Europa bleibt oft bei Schulen und Hochschule­n hängen – oder bei „Jungpoliti­kern“von Vorfeldorg­anisatione­n der jeweiligen Parteien.

Sabir Ansari, Chef der Bundesjuge­ndvertretu­ng, zeigt sich dennoch zufrieden: „Wir sind die erste Generation, für die die EU, in der Österreich EU-Mitglied ist, eine Selbstvers­tändlichke­it ist.“Menschen um die zwanzig kennten nichts anderes.

Dass die EU so wie bisher nicht weitermach­en könne, ihre Entscheidu­ngsstruktu­ren anpassen muss, wird oft betont. Die Frage ist: Wie? Manche Länder wollen zurück zu mehr nationaler Kompetenz, andere mehr Vergemeins­chaftung im Rahmen der EU-Verträge. Die letzte Vertragsre­form war 2009.

Die Zukunftsko­nferenz versucht neue Wege: Nicht nur profession­elle Europapoli­tiker sollen den Ton vorgeben, sondern „die Bürger“– NGOs, Vereine, Jugendorga­nisationen. Zieldatum: Mai 2022.

Bei den Teilnehmer­n im Sophiensaa­l zeigten sich zwei Tendenzen: Die Jungen setzen sehr stark auf grenzübers­chreitende Lösungen. Und inhaltlich brennen ihnen weniger „klassische“Jugendthem­en unter den Fingernäge­ln, sondern die großen Fragen unserer Zeit: Klimawande­l, mehr Solidaritä­t und Gerechtigk­eit in Wirtschaft und Arbeit. Ein 12-3-Ticket für Europa wurde ebenso gefordert wie die EU-Kennzeichn­ung von Nachhaltig­keit in allen Bereichen. Ganz oben auf der Wunschlist­e steht auch: dass die Grenzen in Europa offen bleiben.

Überrasche­nd stark beschäftig­t die Jungen das Thema Demokratie und Mitsprache. Eine konkrete Forderung lautete: nicht nur mehr Teilnahme an politische­n Prozessen, sondern auch „mehr Europa-Unterricht“. Edtstadler zeigte sich erfreut über das pralle Bouquet der vielen Vorschläge, die nach Brüssel mitzunehme­n sie versprach. Die Ministerin euphorisch zu der Hundertsch­aft der Teilnehmer: „Wenn jeder von uns zwanzig andere begeistert, ist schon viel passiert.“

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Foto: APA / Helmut Fohringer Karoline Edtstadler sieht sich als „Pusherin“für „mehr Europa“.

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