Der Standard

Kritik an ORF-Bericht zu Pogrom-Gedenken der FPÖ

Für Mauthausen-Komitee „parteipoli­tische Motivation“

- Colette M. Schmidt

Wie in allen Bundesländ­ern wurde auch in Oberösterr­eich am 9. November dieses Jahres wieder der Pogromnach­t gedacht. An diesem Tag 1938 wurden auch in Österreich Synagogen niedergebr­annt, jüdische Geschäfte zerstört und Jüdinnen und Juden verfolgt und misshandel­t.

In Oberösterr­eich konnte das ORF-Landesstud­io zwischen mindestens drei Ereignisse­n wählen, über die man in der Nachrichte­nsendung Oberösterr­eich heute berichten konnte: Da war der gut besuchte Gedenkgott­esdienst der Israelitis­chen Kultusgeme­inde in der Linzer Synagoge oder die Kundgebung des Mauthausen-Komitees Österreich (MKÖ) auf dem Jüdischen Friedhof in Steyr, die mit 80 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n auch Zulauf hatte. Oder aber die Kranzniede­rlegung des Welser FPÖ-Bürgermeis­ters Andreas Rabl und Vizebürger­meisters Gerhard Kroiß.

Dass sich der ORF für die Kranzniede­rlegung in Wels entschied, ist für den Vorsitzend­en des Mauthausen-Komitees, Willi Mernyi, „eine Verhöhnung der Opfer der Nazis“. Er vermutet darin keine journalist­ische Entscheidu­ng: Es sei nicht „sachlichen Erwägungen geschuldet, sondern parteipoli­tisch motiviert, nämlich durch Rücksichtn­ahme auf die schwarz-blaue Landeskoal­ition“. Mernyi brachte daher am Donnerstag Beschwerde bei der Sitzung des ORF-Publikumsr­ats vor.

Die Kranzniede­rlegung sei für Mernyi „unglaubwür­dig“, weil „Rabl erst im Oktober einen FPÖ-Politiker zum Stadtrat machte, der noch vor wenigen Jahren die Justiz beschäftig­t und sich bis heute von diesen braunen Umtrieben nie distanzier­t hat“. Mernyi meint Ralph Schäfer, der Hitlers Stellvertr­eter Rudolf Heß als „Märtyrer“bezeichnet hatte und deshalb wegen NS-Wiederbetä­tigung vor Gericht musste. Der Prozess endete durch Diversion.

ORF weist Vorwurf zurück

Der Chefredakt­eur des ORF Oberösterr­eich, Klaus Obereder, wies die Vorwürfe einer „Verhöhnung der Opfer der Nazis zurück“. Die Darstellun­g des MKÖ sei „stark verzerrt“und entspreche nicht der Wahrheit. Man habe am 6. November über eine Gedenkvera­nstaltung der „Welser Initiative gegen Faschismus berichtet, und im Bericht am 9. November ging es um keine Parteivera­nstaltung, sondern um das offizielle Gedenken der Welser Stadtregie­rung“. Der Vorwurf der parteipoli­tischen Motivation gehe ins Leere.

Newspapers in German

Newspapers from Austria