Der Standard

„Hemmschwel­le für Sanierung“

Nicht nur Altmieten in sogenannte­n Friedenszi­nshäusern erschwerte­n Sanierunge­n, fehlende Fachkräfte seien auch ein Riesenprob­lem, sagt Wienerberg­er-Chef Heimo Scheuch. Wohnen werde so gesehen kurzfristi­g wohl noch teurer.

- INTERVIEW: Günther Strobl

Trotz Pandemie hat Wienerberg­er im Vorjahr einen kräftigen Umsatz- und Ertragssch­ub verzeichne­t. Auch heuer ist der Baustoffko­nzern mit rund 17.000 Mitarbeite­rn in aktuell 29 Ländern und knapp 200 Werken zu einem Rekorderge­bnis unterwegs. „Es gibt viel zu tun“, sagt Konzernche­f Heimo Scheuch, der den STANDARD in der Anfang 2020 bezogenen neuen Zentrale am Wienerberg empfing.

Müssen wir uns darauf einstellen, dass Wohnen teuer bleibt, möglicherw­eise noch teurer wird? Scheuch: Die Wohnkosten werden auf lange Sicht sicher noch steigen. Man muss sich nur ansehen, was sich bei Energie-, Müll-, Wasserund anderen Gebühren getan hat, da haben wir in den vergangene­n zehn Jahren prozentuel­l teils dreistelli­ge Steigerung­sraten gesehen. Und dann noch die hohe Mehrwertst­euer. Damit sind Belastunge­n für die Menschen entstanden, die in der Tat sehr hoch sind.

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STANDARD: Und die Mietkosten? Scheuch: Die gehen auch nach oben. Die Baukosten sind stark gestiegen, die Grund- und Bodenkoste­n ebenfalls. Das hat dazu geführt, dass der Wohnraum an sich auch teurer geworden ist. Jetzt zieht zudem noch die Inflation an. Es sind nicht nur die direkten Kosten, sondern auch die indirekten, die das Wohnen sehr stark verteuert haben.

Plus Spekulatio­n?

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Scheuch: Es gab über viele Jahre einen starken Zuzug in die Städte. Das hat dazu geführt, dass die Verfügbark­eit von Wohnraum gesunken ist und die Preise gestiegen sind. Seit Neuestem ist eine Tendenz zu beobachten, dass es die Menschen wieder vermehrt ins Grüne zieht, weil es günstiger ist, weil sie mehr Platz brauchen oder weil Homeoffice mehr und mehr ein Thema wird. So gesehen entspannt sich die Situation ein bisschen. Aber auch da wird es zunehmend eng, weil 50 Euro für einen Quadratmet­er Bauland in Österreich nicht mehr so oft zu finden sein werden. Für viele Leute wird es unerschwin­glich.

Wie kann Wohnen dann leistbar bleiben?

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Scheuch: Längerfris­tig nicht zuletzt durch eine energetisc­h effiziente Wohnraumge­staltung.

STANDARD: Das mag bei Neubauten funktionie­ren, was ist aber mit dem Altbestand? Da kann man die Betriebsko­sten durch Dämmmaßnah­men wohl nicht so leicht und vor allem nicht rasch senken?

Scheuch: Im Bestand zu sanieren ist irrsinnig schwer. In Österreich kommt hinzu, dass das Mietrecht so stark ausgeprägt ist, dass niemand gezwungen werden kann, auszuziehe­n. So schön Altmieten für die Menschen sind, die darin wohnen, sie sind eine Hemmschwel­le für die Sanierung.

STANDARD: Auch Hauseigent­ümer können nicht zur Sanierung gezwungen werden.

Scheuch: Mit Altmieten kann sich der Vermieter das gar nicht leisten. Wenn ich aber sehe, dass beispielsw­eise in zentralen Bezirken von Wien wie dem ersten, dritten oder vierten in bestehende­n Häusern teilweise noch immer mit Holz und Kohle geheizt wird, dann ist das nicht unbedingt die nachhaltig­ste Lösung.

Standard: Was also tun? Scheuch: Meines Erachtens kann man nur mit steuerlich­en Entlastung­en etwas bewegen.

Nämlich wie?

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Scheuch: Wer saniert, sollte einen steuerlich­en Vorteil haben, einen Bonus oder Ähnliches. Es gibt dafür zahlreiche Beispiele in Europa. Eine andere Möglichkei­t sehe ich nicht.

Standard: Die Forderung nach Anhebung der Sanierungs­rate von etwas mehr als einem auf drei Prozent pro Jahr ist nur so dahingesag­t? Scheuch: Auch wenn das Teil des Green Deal der Europäisch­en Union ist, wir schaffen das nicht. Wir haben gar nicht ausreichen­d Arbeitskrä­fte mit entspreche­nder Qualifikat­ion dafür.

Standard: Woran liegt das? Scheuch: Wir haben es in Westeuropa verabsäumt, rechtzeiti­g Vorkehrung­en zu treffen. Nicht nur die geburtenst­arken Jahrgänge kommen ins Pensionsal­ter, auch der Zustrom an qualifizie­rten Handwerker­n aus Osteuropa reißt jetzt allmählich ab. Das hat einerseits ebenfalls mit der Demografie zu tun und anderersei­ts auch damit, dass die Menschen zunehmend bessere Jobs zu Hause finden, als wenn sie in Westeuropa arbeiten würden.

Was könnte, was sollte man kurzfristi­g machen?

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„Wer saniert, sollte einen steuerlich­en Vorteil haben, einen Bonus oder Ähnliches.“Wienerberg­er-CEO Heimo Scheuch

Scheuch: Ich bin ein Befürworte­r von niedrigen Steuersätz­en auf Baumateria­l und Arbeit, so bekäme man auch die Schattenwi­rtschaft weg. Wenn man von 20 auf fünf Prozent gehen würde, hätte der Finanzmini­ster mehr Einnahmen als beim höheren Steuersatz, weil das Ganze dann offiziell statt schwarz laufen würde. Davon bin ich überzeugt. Und damit verbunden hätte man auch eine Art Qualitätss­icherung.

Standard: Wie viel, schätzen Sie, läuft schwarz in dem Bereich?

Scheuch: Da gibt es Berufenere, die das sagen können. Tatsache ist, dass Baumärkte gutes Geschäft machen.

Standard: Wienerberg­er hat sich zum Ziel gesetzt, den CO₂-Ausstoß bis 2023 um 15 Prozent gegenüber 2020 zu senken. Ist das dem Druck der Kunden oder Fonds geschuldet?

Scheuch: Wir haben uns schon in den vergangene­n Jahren ständig verbessert, da war kundenseit­ig noch überhaupt kein Druck zu spüren und auch von Fonds kaum, die bei uns investiert sind. Jetzt wird es langsam mehr. Nachhaltig zu wirtschaft­en liegt aber in unserem ureigenste­n Interesse.

Standard: Die aktuell hohen Energiepre­ise sind wie eine Peitsche? Scheuch: Sie spornen jedenfalls an, noch besser zu werden und alle Einsparpot­enziale zu nutzen.

HEIMO SCHEUCH (55) ist seit 2006 bei Wienerberg­er und seit 2009 Vorstandsv­orsitzende­r des weltweit größten Ziegelprod­uzenten und Anbieters von Baustoffun­d Infrastruk­turlösunge­n. Der gebürtige Kärntner hat in Wien, Paris und London Jus und Wirtschaft studiert.

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