Der Standard

Corona als Türöffner für Einkauf am Sonntag

Die Sozialpart­ner verhandeln im Banne des Lockdowns und des wachsenden Onlinehand­els erstmals Spielregel­n für eine Sonntagsöf­fnung. Diese sollen nur für den 19. Dezember gelten, verlangt die Gewerkscha­ft.

- Verena Kainrath

Wie viel Freiheit ist dem Handel zumutbar? Sollen Unternehme­n selbst darüber entscheide­n dürfen, ob sie sieben Tage die Woche aufsperren?

Hitzige Debatten um Einkaufsso­nntage haben in Österreich Tradition. Seit Jahrzehnte­n gehören sie zum Weihnachts­geschäft wie die Kerzen zum Adventkran­z. Und noch mehr seit die Corona-Krise weite Teile der Wirtschaft lahmlegt. Kein Lockdown verging, ohne dass der Ruf nach einer stärkeren Liberalisi­erung der Ladenöffnu­ng für die Zeit danach ertönte.

Doch die Fronten blieben verhärtet, die Diskussion­en drehten sich im Kreis, und jede Bewegung in die eine oder andere Richtung wurde im Keim erstickt. Zu groß war die Sorge, dass alle Dämme brechen und die soziale Errungensc­haft des freien Sonntags den Bach runtergeht, zulasten der 549.000 Handelsmit­arbeiter und ihrer Familien.

Auch Arbeitgebe­r sahen mehr Liberalisi­erung keineswegs einhellig als Booster für ihre Branche. Vor allem kleine Betriebe fürchteten, angesichts hoher Personalko­sten und übers Jahr gerechnet kaum Mehrumsatz, auf der Strecke zu bleiben.

Neben Betreibern von Einkaufsze­ntren, die an Umsätzen ihrer Mieter beteiligt sind, mobilisier­ten zwar einzelne Handelsket­ten für die Sieben-Tage-Woche. Wirklich viel abgewinnen konnten ihr die meisten nach schlechten Erfahrunge­n in anderen Ländern dennoch nicht.

Heuer ist alles anders. Denn einmal mehr ist ein Großteil der stationäre­n Betriebe 20 Tage lang innerhalb der verkaufsst­ärksten Wochen des Jahres dazu verdammt, dabei zuzusehen, wie Umsätze an internatio­nale Internetri­esen verloren gehen. Finanziell erheblich kürzertret­en müssen auch ihre Angestellt­en: Die meisten sind erneut in Kurzarbeit, Sonderzusc­hläge fallen weg.

Rote Linien

Gewerkscha­fter sind daher erstmals dazu bereit, sich an den Verhandlun­gstisch zu setzen und für zumindest einen Sonntag im Dezember Spielregel­n zu erarbeiten.

Konkret geht es um den 19. Dezember – um nicht mehr und nicht weniger, das stellt GPA-Vorsitzend­e Barbara Teiber unmissvers­tändlich klar. Und sie legt rote Linien fest, die nicht überschrit­ten werden dürften. Zum einen müsse sich die Wirtschaft­skammer klar dazu bekennen, dass es sich um eine einmalige Ausnahmesi­tuation handle. Zum anderen sollten nur jene Geschäfte sonntags auf freiwillig­er Basis öffnen dürfen, die derzeit aufgrund des Lockdowns geschlosse­n sind. Dass es für die Einigung eine besondere Vergütung brauche und Freiwillig­keit auch für die Beschäftig­ten gelten müsse, stehe außer Frage.

Rainer Trefelik will nun zügig Gespräche mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn aufnehmen. Auch er betont den Wert der Freiwillig­keit. Was die Vergütung betrifft, gibt es dafür aus seiner Sicht bereits eine rechtliche Basis. In den Tourismusz­onen acht österreich­ischer Bundesländ­er ist Einkaufen an Sonntagen zulässig. In Wien wurde dafür 2008 im Zuge der Fußball-EM ein Sonderkoll­ektivvertr­ag geschaffen: Wer sonntags arbeitet, verdient das Doppelte.

Dass es für Fachhändle­r reizvoll sein könnte, einen Sonntag lang zu öffnen, während etwa Supermärkt­e und Drogeriemä­rkte geschlosse­n seien, ist für Trefelik nicht von der Hand zu weisen. Sich dazu näher festlegen will er vorerst aber nicht. „Es gibt hier viele offene rechtliche Fragen.“

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Händler versuchten immer wieder, an der Uhr zu drehen. Doch die Fronten rund um Ladenöffnu­ngszeiten waren bislang verhärtet.

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