Die ewige Unruhe
Vor einem Jahr starb Diego Maradona. Nicht nur in Argentinien wurde der Fußballlegende gedacht. Ungeachtet der Skandale, Streitigkeiten und Gerüchte boomt das Memoirengeschäft.
Die Woche vor seinem ersten Todestag ist typisch maradonianisch. Eine Ex-Geliebte lässt medial bittere Tränen rollen. Das Gerücht, Argentiniens Fußballikone sei ohne sein Herz beerdigt worden, erschüttert die Nation. „Ich fühle, dass dieser Tag nichts für Ehrungen, nicht zum Feiern ist“, sagte seine älteste Tochter Dalma im Sturm der Emotionen, die Diego Maradona auch ein Jahr nach seinem fatalen Herzinfarkt noch entfacht. Er wurde nur 60 Jahre alt.
Das Volk trauerte am Donnerstag aus voller Kehle um den Weltmeisterkapitän von 1986, die Maradonianer stimmten ihre Gesänge vor dem ärmlichen Geburtshaus in Villa Fiorito, jüngst zu einem nationalgeschichtlichen Ort deklariert, oder unter San Diego del Barrio de la Boca, einem riesigen Heiligenbild auf einer Mauer im Stadtteil seines Herzensklubs Boca Juniors, an. Denn Dichtung und Wahrheit passen seit jeher zu „El Diez“, dem ewigen Zehner. Wie auch der Streit um sein Erbe. Oder die juristische Suche nach Schuldigen für seinen gesundheitlichen Verfall bis zum Tod am
25. November 2020.
Über der Erde findet er also keine Ruhe. In seinem unscheinbaren Grab auf dem Friedhof Jardin Bella Vista, bewacht von Sicherheitsbeamten und Kameras, ist er aber unter einer schlichten Steinplatte einer von allen im Tode gleich.
Über das Grab haben Dalma und Gianinna das Sagen, den Nachlass müssen Maradonas Töchter aus erster Ehe aber mit drei bereits anerkannten Kindern teilen. Allein dieses Jahr wollten zwei weitere Kandidaten Maradonas Vaterschaft (vergeblich) per DNA erstreiten. Es ging um 100 Millionen Dollar.
Die ersten Erbstücke werden am
19. Dezember per Streaming versteigert. Nichts mit sentimentalem Wert, nur Wohnungen, Autos, Trikots, eine Bibel, Wasserkocher, Zigarren-Humidor. Aus den EinnahAber men sollen erst einmal Schulden beglichen und Rücklagen für Kosten der Restsammlung gebildet werden.
Denn auf die noch lukrativ laufenden Geschäfte haben die fünf Kinder keinen Zugriff. Nur sein Anwalt Matias Morla, der im Namen von Maradonas Schwestern seit 2015 Labels wie El 10 und La Mano de Dios (die Hand Gottes) unter dem Firmennamen Sattvica vermarktet. Die eine wirft der anderen Seite vor, Maradonas „Untergang“tatenlos zugesehen zu haben.
Hohe Strafen
Für die Justiz gibt es aber sieben Schuldige für die fatalen Ereignisse der letzten Tage nach der operativen Entfernung eines Blutgerinnsels im Gehirn. „Einfacher Mord mit eventueller Absicht“lautet die Anklage gegen Leibarzt Leopoldo Luque und dessen Helferteam, weil sie Maradona wohl zu früh nach Hause geholt haben. Strafen zwischen acht und 25 Jahren drohen.
auch gegen den „Goldjungen“, „El Pibe de Oro“, gibt es Anschuldigungen. Kurz vor seinem Todestag hat eine 37-jährige Kubanerin Vergewaltigungsvorwürfe erhoben. Der Weltstar habe sie vor 20 Jahren in Kuba, wo sich „Dieguito“für einen Drogenentzug aufhielt, sexuell missbraucht. Zudem sei sie später von Maradonas Umfeld mehrere Wochen in einem Hotel gegen ihren Willen festgehalten worden. Mavys Alvarez Rego, die in Miami lebt, berichtete Journalisten in Buenos Aires davon, wie sie Maradona als 16-Jährige kennengelernt hatte.
Ungeachtet der Skandale, Streitigkeiten und Gerüchte läuft das Memoirengeschäft. In Neapel wurden Bronzestatuen enthüllt. Amazon Prime zeigt eine Serie, beim Audio-Streaming-Dienst Spotify sind Tondokumente seiner letzten Tage zu hören. Am 14. Dezember findet in Saudi-Arabien ein Duell zwischen Barcelona und Boca Juniors unter dem Titel Copa Maradona statt. (sid)