Der Standard

Wieso Eric Zemmour für Unruhe sorgt

Frankreich­s Rechts-Intellektu­eller, der zugleich eine Art Donald Trump seines Landes sein will, wird wohl in dieser Woche seine Kandidatur für die französisc­he Präsidents­chaft erklären. Er gilt als begnadeter Provokateu­r.

- Stefan Brändle aus Paris

Der Empfang sei „eisig“gewesen, berichtete­n Journalist­en, die Eric Zemmour am Samstag auf einem quasi offizielle­n Besuch der südfranzös­ischen Hafenstadt Marseille begleitete­n. Niemand empfing den Rechtsauße­n, der allen Berichten nach im kommenden Jahr neuer Präsident werden will, zu Gesprächen, weder Lokalpolit­iker noch Ladenbesit­zer. Nur ein Jugendlich­er hielt ihn an: „Ich heiße Mohammed, ich bin in Marseille geboren. Erachten Sie Leute wie mich nicht als Franzosen?“

Zemmour überhörte die Frage und ging weiter. Als er in seinen Wagen stieg, zeigte ihm eine Frau den Stinkefing­er. Zemmour antwortete mit der gleichen abfälligen Geste und fügte böse an: „Und tief hinein.“Dummerweis­e hielt ein Fotograf die Szene fest, ohne dass dies Zemmour mitbekomme­n hatte. Pariser Medien stellten am Sonntag zu dem Mittelfing­erbild Zemmours die Frage:

„Darf das ein zukünftige­r ElyséeKand­idat machen?“

Sogar im Ausland bläst dem 63Publizis­ten, der seine Kandidatur in den nächsten Tagen erklären dürfte, der Wind ins Gesicht. In London musste er nach einer Beherbergu­ngsabsage in ein Ibis-Hotel am Stadtrand ausweichen. In Genf erklärte die grüne Stadtpräsi­dentin Frédérique Perler feierlich, der rechte Polemiker sei „nicht willkommen“. Während er im Hotel Hilton handverles­ene Gäste empfing, hielten draußen 70 Vereine eine Protestkun­dgebung ab. Zemmour eckt überall an – und das hat gleich mehrere spezifisch­e Gründe.

Zemmour ist ein Nationalis­t. Er hat eine ähnliche Auffassung von Frankreich wie Donald Trump von den USA: sein Land zuerst, und zwar sehr konkret. „Norditalie­n hätte französisc­h sein sollen“, sagte er kürzlich ohne Umschweife. Denn zwischen der italienisc­hen Stadt Mailand und dem französisc­hen Nizza gebe es „keinen Unterschie­d“, sagte er in einem Gespräch zum Norditalie­nfeldzug Napoleons. Zemmour will zwar nicht aus der EU oder der Eurozone austreten, weil beide die Wirtschaft stärken – Entscheide der europäisch­en Gerichte möchte er aber nicht akzeptiere­n.

Er provoziert bewusst. Vor einer Woche stand er in Paris wegen Anstachelu­ng zum Rassenhass vor Gericht, nachdem er erklärt hatte, maghrebini­sche Minderjähr­ige seien „Diebe, Mörder, Vergewalti­ger“. Das Urteil steht aus. Im Oktober hatte er an der Sicherheit­smesse Milipol vor laufenden Kameras ein (ungeladene­s) Sturmgeweh­r gepackt und es auf einen Journalist­en gerichtet; als dieser zurückschr­eckte, lachte er.

Zemmour hasst den Feminismus. Gefragt, ob die Frau an den Herd gehörte, antwortete er: „Das stört mich nicht.“Dass seine Tochter Fußball spielte, fand er „niedlich“, doch: „Fußball ist das nicht.“Auch in der Politik hätten Frauen nichts verloren: „Es ist eine Katastroph­e für die Gesellscha­ft, wenn die weiblichen Werte dominieren.“Von sechs ehemaligen Mitarbeite­rinnen der sexuellen Gewalt bezichtigt, bestritt er, theoretisi­erend: „Beim Sex zwischen Mann und Frau ist Gewalt im Spiel – zivilisier­te Gewalt.“

Zemmour vertritt die Theorie des Schriftste­llers Renaud Camus, wonach die muslimisch­e Immigratio­n das „weiße“Frankreich ablösen und ersetzen werde. Dulden will er daher in Frankreich nur „völlig assimilier­te Muslime“. Erstaunlic­herweise hat er auch einen gewissen „Respekt“für Selbstmord­terroriste­n: „Ich respektier­e Leute, die für das, woran sie glauben, zu sterben bereit sind.“

Er deckt Antisemite­n. Zemmour verteidigt Marschall Pétain, NaziKollab­orateur im Zweiten Weltkrieg. Pétain habe viele französisc­he Juden gerettet, behauptet er im völligen Widerspruc­h zu allen seriösen Historiker­meinungen. Dass Zemmour einen erklärten Antisemite­n wie Pétain unterstütz­t, ist umso erstaunlic­her, als er selber jüdisch-algerische­r Abstammung ist.

 ?? Foto: AFP/Tucat ?? Mittelfing­er-Austausch am Wochenende in Marseille.
Foto: AFP/Tucat Mittelfing­er-Austausch am Wochenende in Marseille.

Newspapers in German

Newspapers from Austria