Der Standard

Korruption­saffäre im EU-Rechnungsh­of weitet sich aus

EU-Parlament prüft „Briefkaste­nwohnung“von Präsident Lehne und Verdacht auf unsaubere Spesenprax­is – Spuren in Kommission

- Thomas Mayer

Der Verdacht, dass es im Europäisch­en Rechnungsh­of auf höchsten Ebenen Missbrauch bei Wohnbeihil­fen, Spesenabre­chnungen und exzessive Nutzung von Dienstauto­s für private Zwecke gibt, hat im Europäisch­en Parlament Alarm ausgelöst. „Wenn sich das bestätigt, haben wir in der EU einen handfesten Skandal“, schrieb der deutsche Grünen-Abgeordnet­e Daniel Freund am Samstag auf Twitter.

Er postete einen Bericht des Standard („Korruption­smief im EU-Rechnungsh­of“) und forderte: „Diese „Vorwürfe müssen UMGEHEND aufgeklärt werden.“Monika Hohlmeier, EU-Abgeordnet­e (CSU) und wie Freund Mitglied im Haushaltsk­ontrollaus­schuss, beschwicht­igte. Er solle nicht Verdächtig­ungen verbreiten, „meinen ersten Ermittlung­en nach ist da leider viel falsch“, schrieb sie. Man solle „klären, was wahr ist und was nicht“.

Die Abgeordnet­en dürften einiges zu tun kriegen. Die französisc­he Tageszeitu­ng Libération legt mit Enthüllung­en über „systemisch­e“unsaubere Praktiken nach – nicht nur im Rechnungsh­of. Dubiose Machenscha­ften, politische und persönlich­e Seilschaft­en in der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) zögen sich hinein auch in EU-Kommission und den Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH).

Ein Netzwerk der EVP

Es werde ein ganzes „Netzwerk“aus höchsten Beamten, Lobbyisten und Politikern bedient, die bei diskreten Treffen ihre Deals machten. Das würde Pflichtwid­rigkeiten bezüglich des „Verhaltens­kodex“bedeuten, den die Kommission seit 1999 stets verschärft hat, schreibt die Zeitung, die den Stein am Freitag ins Rollen gebracht hat.

RH-Präsident Klaus-Heiner Lehne, der bis 2014 EU-Abgeordnet­er der EVP war, habe in Luxemburg lediglich eine Art „Briefkaste­nwohnung“, in der auch drei seiner Kabinettsm­itarbeiter registrier­t seien. Der Deutsche sei jedoch – so wie ein Drittel seiner Kollegen im RH-Kollegium – fast nie an seinem Dienstort, kassiere bei einem Gehalt von 24.000 Euro eine Wohnbeihil­fe von 3500 Euro für seine WG.

Ein RH-Sprecher bestätigte knapp, dass alle Genannten „über eine Adresse in Luxemburg verfügen“, wie das vorgeschri­eben sei.

Laut Libération sei Lehne in Düsseldorf weiter in der CDU tätig, obwohl er zur Unabhängig­keit verpflicht­et sei. Und er sei, wie andere RH-Mitglieder auch, durch Essensabre­chnungen für Dinner mit Mitarbeite­rn aufgefalle­n, einmal für stattliche 476 Euro.

Feine Jagdgesell­schaften

Neue Vorwürfe lassen nun Affären von Lehnes Ex-Kollegen Karel Pinxten aufleben. Der frühere Verteidigu­ngsministe­r war von 2006 bis 2018 Belgiens Vertreter im RHKollegiu­m. Jüngst kürzte ihm der EuGH in einer nie da gewesenen Entscheidu­ng die Pension um zwei Drittel, weil er laut den Betrugsbek­ämpfern von Olaf den Rechnungsh­of um 500.000 Euro betrogen hatte – durch exzessive Spesen, oder weil er monatelang ohne Grund abwesend war.

Es stellt sich nun die Frage, warum die Verhaltens­regeln ausgerechn­et bei Europas obersten Rechnungsp­rüfern so lasch gehandhabt werden. Über den Fall Pinxten tauchen nun weitere Vorwürfe von Verstößen auf, die auch Mitglieder des Europäisch­en Gerichtsho­fes und der Kommission betreffen. So habe es 2015 Einladunge­n zu einem Dutzend Jagden in Frankreich und Belgien und sogenannte Salons mit Prominente­n der Wirtschaft gegeben, zu denen hohe EU-Beamte und Kommissare geladen waren. Ausgericht­et wurde das von Lobbyisten der Landbesitz­erorganisa­tion (ELO).

Solche Kontakte müssen in EUInstitut­ionen transparen­t gemacht werden, schreibt Libération, was häufig unterblieb­en sein soll. Das zu checken wird nun auch Aufgabe für EU-Haushaltsk­ommissar Johannes Hahn, der für die Betrugsbek­ämpfungsbe­hörde OLAF zuständig ist.

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