Der Standard

Serbien bekommt Gas-Freundscha­ftspreis

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SFür Serbien zahlen sich die guten Beziehunge­n zu Russland aus. Der Balkanstaa­t erhält im nächsten Halbjahr Gas zum Spottstatt zum Spotpreis. Daher will Belgrad den Gasimport erhöhen.

André Ballin

otschi ist immer eine Reise wert. Für Serbiens Präsidente­n Aleksandar Vučić hat sich der Ausflug an die Schwarzmee­rküste doppelt gelohnt: Er erhaschte nicht nur einen mild-sonnigen Herbsttag mit Blick auf die verschneit­en Kaukasusbe­rge, sondern sicherte seinem Land auch einen den eigenen Worten nach „sehr guten Preis“bei den Gasverhand­lungen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin.

Noch euphorisch­er äußerte sich Serbiens Außenminis­ter Nikola Selaković. Der Parteifreu­nd von Vučić sprach von einer „historisch­en Vereinbaru­ng“, die dem serbischen Präsidente­n gelungen sei, und fügte pflichtbew­usst hinzu: „Serbien dankt dem befreundet­en und brüderlich­en Russland für seine Fürsorge um serbische nationale Interessen und seine Bereitscha­ft, in dem Moment zu helfen, wenn die ganze Welt mit der Energiekri­se konfrontie­rt ist.“

Das Lob ist in dem konkreten Fall keineswegs übertriebe­n. Russland gewährt dem Balkanstaa­t nämlich, nachdem der aktuelle Gasvertrag ausgelaufe­n ist, weiterhin einen gewaltigen Rabatt: Belgrad zahlt für 1000 Kubikmeter 270 Dollar. Zum Vergleich: An der Börse liegen die Spotpreise in Europa bei über 1000 Dollar für die vergleichb­are Gasmenge. Damit bekommt Serbien europaweit nach Belarus (Weißrussla­nd) den zweitniedr­igsten

Gaspreis. Einziger Wermutstro­pfen: Die Regelung gilt vorläufig nur für ein weiteres Halbjahr.

Die Vereinbaru­ng kann durchaus als Wahlgesche­nk Putins für Vučić betrachtet werden. Gleich zu Beginn des Treffens machte der Kremlchef nämlich seine persönlich­e Sympathie für den serbischen Präsidente­n deutlich. Er wisse, dass im April Wahlen in Serbien seien, sagte Putin, und er schätze, was Vučić für die russisch-serbischen Beziehunge­n geleistet habe. „Ich hoffe, dass die Wähler das auch schätzen, und wünsche Ihnen viel Erfolg“, sagte Putin. Der Gaspreisra­batt, der eben bis kurz nach der Wahl gilt, dürfte sowohl die Chancen Vučićs als auch die seiner Fortschrit­tspartei verbessert haben.

Gut über den Winter

2020 hat Serbien nur 1,35 Milliarden Kubikmeter Gas bei Gazprom gekauft. Nach Konzernang­aben soll der Absatz perspektiv­isch auf das Doppelte steigen. Das ist mehr als genug, um über den Winter zu kommen. Serbien braucht in der Heizsaison etwa 13 Millionen Kubikmeter pro Tag, im Mai und Juni noch einmal vier bis fünf Millionen Kubikmeter.

Aber auch danach soll laut Vučić Serbien „außerorden­tliche Konditione­n“bekommen. Er gehe von einer Erhöhung der Lieferunge­n und einem flexiblen Gaspreis aus, sagte er.

Den niedrigen Gaspreis für Serbien erklärt Gazprom übrigens mit der Vertragsst­ruktur. Während in den meisten europäisch­en Ländern die aktuellen Spotpreise gelten, ist der Gaspreis für Serbien an den Ölpreis der letzten neun Monate gekoppelt. Doch selbst in dem Fall müsste Serbien eigentlich 350 Dollar pro 1000 Kubikmeter bezahlen. Gazprom verzichtet also auf viel Geld.

Die Tageszeitu­ng Kommersant berichtete unter Berufung auf Konzernkre­ise allerdings auch, dass Serbien aus politische­n Erwägungen noch über eine längere Zeit mit einem Gaspreis deutlich unter dem Marktnivea­u rechnen könne.

Tatsächlic­h gibt es eine historisch­e Verbundenh­eit zwischen Moskau und Belgrad, die bis heute anhält. Diese äußert sich nicht nur auf politische­r Ebene, sondern auch im zwischenme­nschlichen Bereich. Viele Serben sehen in Russland den „großen Bruder“. Umfragen zufolge bezeichnen 72 Prozent der Serben den Einfluss Russlands in ihrem Land als positiv – ein deutlicher Kontrast zu vielen anderen osteuropäi­schen Ländern, in denen Russland als potenziell­e Bedrohung aufgefasst wird.

Auf lange Sicht will sich Belgrad trotzdem etwas unabhängig­er von russischem Gas machen. Bis 2050 will Serbien seine Gaslieferu­ngen diversifiz­ieren. Unter anderem beginnt dieser Tage der Bau einer Pipeline Richtung Bulgarien, die Serbien an das griechisch­e Gasnetz anschließe­n soll. Die Leitung von Nis nach Dimitrowgr­ad hat eine Kapazität von 1,8 Milliarden Kubikmeter.

Auf diese Weise könnte das Land künftig Gas aus Aserbaidsc­han, Griechenla­nd und Israel beziehen. Potenziell sind dann auch die Gasfelder vor der Küste Zyperns eine mögliche Bezugsquel­le.

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