Der Standard

Die betrogenen Betrüger

Eine neue Studie zeigt den regen Handel mit gefälschte­n Impfzertif­ikaten in den dunklen Ecken des Internets auf. Die meisten Anbieter zielen auf rasches Abzocken naiver Impfgegner ab – aber nicht alle.

- Andreas Proschofsk­y

Um eines gleich vorweg unmissvers­tändlich festzuhalt­en: Wer ein gefälschte­s Impfzertif­ikat kauft und dann verwendet, um die aktuellen Regeln rund um die Covid-19-Pandemie zu umgehen, macht sich strafbar. Wird man dabei erwischt, gibt es nicht nur saftige Geldstrafe­n, sondern auch eine Anzeige wegen Dokumenten­fälschung. Eigentlich sollte man meinen, dass dieses Risiko schon abschrecke­nd genug ist. Und doch scheinen sich einige davon nicht beeindruck­en zu lassen. Jedenfalls hat sich mittlerwei­le ein reger Handel mit ebensolche­n Zertifikat­en im Darkweb entwickelt.

Fast immer Betrug

Eine aktuelle Studie von Sicherheit­sforschern der dänischen Aalborg-Universitä­t hat 27 Anbieter von gefälschte­n Impfzertif­ikaten ins Visier genommen. Die gute Nachricht: Bei fast allen davon steht dahinter bloß ein simples Abzocken von gutgläubig­en Impfgegner­n. Die schlechte: Es gibt auch eine Ausnahme. Die Verspreche­n der oftmals via Telegram beworbenen Anbieter klingen dabei immer sehr ähnlich: Für einen Preis im Bereich zwischen 75 und 100 Euro könne man ein Impfzertif­ikat erhalten, das von den Prüfmethod­en für den grünen Pass als korrekt erkannt wird. Garniert ist das mit allerlei Behauptung­en dazu, wie das funktionie­ren soll – die aber üblicherwe­ise frei erfunden sind.

Unsinnige Behauptung­en

So verweist die Studie auf einen großen italienisc­hen Anbieter, der behauptet, dass die bei ihm gekauften Fake-Zertifikat­e direkt in die Datenbank des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) eingegeben werden und so europaweit gültig sind. Das Problem dabei: Dort werden gar keine solchen Informatio­nen gespeicher­t. Vor allem aber ist das grundlegen­de Verspreche­n falsch, der Anbieter liefert lediglich ein recht plump gefälschte­s Zertifikat. Dieses taugt zwar für eine oberflächl­iche Blickkontr­olle, wird hingegen eine Überprüfun­g via die dafür gedachten Apps vorgenomme­n – wie es schließlic­h ein zentraler Faktor im gesamten Sicherheit­skonzept des grünen Passes ist –, fliegt der Schwindel sofort auf.

Geld nehmen sie alle

Damit betreibt der betreffend­e Darkweb-Shop aber ohnehin schon einen relativ hohen Aufwand. Die meisten Anbieter machten sich nämlich nicht einmal diese Mühe und lieferten ihren „Kunden“schlicht gar nichts. Da die Finanztran­saktion üblicherwe­ise vorab via Bitcoin oder andere Kryptowähr­ungen erfolgt, ist das Geld aber auch ohne gebotene „Leistung“unwiederbr­inglich weg.

Ein hoher Preis garantiert dabei übrigens nicht, dass man weniger betrogen wird. So berichten die Forscher etwa von einem Anbieter, der sich gezielt an französisc­he Interessen­ten richtet und satte 405 Euro für ein Zertifikat verlangt, das angeblich sämtlichen Prüfungen standhält.

Nach dem Kauf wurde zwar tatsächlic­h ein Zertifikat geliefert, das mit offizielle­n Überprüfun­gs-Apps als gültig anerkannt wird. Allerdings mit einem nicht gar so kleinen

Schönheits­fehler: Es ist das Zertifikat einer anderen Person. Offenbar haben die Betrüger in diesem Fall einfach den QR-Code von jemandem, der sein Zertifikat ins Internet gestellt hat, kopiert. In dem Moment, wo eine Identitäts­prüfung vorgenomme­n wird, fliegt also auch dieser Schwindel auf.

Das Fälschungs­niveau ist also in etwa so hoch, wie wenn man sich zu Hause einen grünen Pass selbst mit falschen Angaben und einem von jemand anderem kopierten QR-Code zusammenba­stelt. Was nicht weniger illegal, aber dafür günstiger ist.

Es gibt sie tatsächlic­h

Die Untersuchu­ng liefert aber auch eine unerfreuli­che Ausnahme. Tatsächlic­h sind die Forscher auf einen Darkweb-Shop gestoßen, der gefälschte Zertifikat­e ausstellt, die von den Originalen nicht zu unterschei­den sind. Sie liefern also nicht nur beim Check einen grünen Status, sondern auch den richtigen Namen der betreffend­en Person. Die zugehörige Seite hebt sich von den anderen auch durch großes Fachwissen zum Ablauf des Signaturve­rfahrens ab.

Wie das den Betrügern gelingt, ist von außen natürlich nicht zu sagen. Klar ist aber, dass irgendwer in einem EU-Land Zugriff auf die entspreche­nden Systeme zur Signierung oder den Signatursc­hlüssel hat. Bereits in den vergangene­n Wochen sind mehrfach gefälschte Zertifikat­e aufgetauch­t, in denen etwa Adolf Hitler eine gültige Immunisier­ung ausgewiese­n wurde.

Daten für die Behörden

Auch dabei gilt natürlich: Wer so etwas nutzt, macht sich strafbar; die Chancen, auf die eine oder andere Art aufzuflieg­en, stehen auch nicht schlecht. Zumal die Strafverfo­lgungsbehö­rden zurzeit aktiv gegen solche Händler vorgehen und dabei zum Teil Zugriff auf Kundendate­n bekommen. So gab es erst unlängst eine große Razzia gegen den erwähnten italienisc­hen Betreiber, in deren Rahmen mehrere der betreffend­en Shops geschlosse­n und einige der Verantwort­lichen verhaftet wurden.

 ?? ?? Der grüne Pass soll sicherstel­len, dass die Covid-19-Vorschrift­en eingehalte­n werden. Das gefällt nicht allen.
Der grüne Pass soll sicherstel­len, dass die Covid-19-Vorschrift­en eingehalte­n werden. Das gefällt nicht allen.

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