Der Standard

Sportliche­s Datensamme­ln

Spiel, Satz und Sieg – automatisc­h analysiert: Innsbrucke­r Forschende nutzen maschinell­es Lernen, um die Spielstrat­egien von Tennisspie­lenden zu untersuche­n und zu verbessern.

- Alois Pumhösel

Ambitionie­rter Sport braucht eine entspreche­nd gute Trainingss­trategie. Man versucht, Schwächen gezielt anzusprech­en und Stärken auszubauen. Dafür ist eine eingehende Analyse notwendig, bei der heute nicht mehr nur erfahrene menschlich­e Trainer, sondern auch eine Reihe technische­r Systeme helfen. Im Amateurber­eich sind Gadgets verbreitet, die etwa Ausdauerda­ten am Handgelenk abnehmen. Im Profiberei­ch nutzt man darüber hinaus maßgeschne­iderte Systeme, die etwa Körperbewe­gungen zentimeter­genau erfassen oder hochauflös­ende Kameradate­n gezielt auswerten.

Auch am Management Center Innsbruck (MCI) befasst man sich mit Technologi­en, die profession­elles Training noch effiziente­r machen sollen. Bernhard Hollaus vom Department für Medizin-, Gesundheit­sund Sporttechn­ologie des MCI erprobt im Forschungs­schwerpunk­t „Health Tech“, wie man künstliche Intelligen­z einsetzen kann, um Analysedat­en zu erheben. Zuletzt konzentrie­rten sich die MCI-Forscher gemeinsam mit Kollegen des Instituts für Informatik der Uni Innsbruck auf das Tennisspie­l. Sie entwickelt­en einen Ansatz, der die Schlagtech­nik eines Spielers mit einer Genauigkei­t von durchschni­ttlich 94 Prozent erkannte. Damit habe das System zum Zeitpunkt der Publikatio­n vergangene­n Sommer laut Hollaus „die weltweit beste Leistung gezeigt“.

Auch die Forscher nutzen ein Wearable, ein Armband am Handgelenk, um gezielt Daten zu erheben. Die hier verbaute Sensorik unterschei­det sich aber von üblichen Fitnessgad­gets: Denn neben Beschleuni­gungs-, Druck- und Audiosenso­ren ist auch ein Magnetomet­er verbaut, mit dem auf Bewegungen in Relation zum Erdmagnetf­eld geschlosse­n werden kann.

Athleten trugen dieses Armband während des Spiels und wurden zusätzlich gefilmt. „Wir wollten einen Datensatz schaffen, der so vielseitig wie möglich ist. Er sollte Männer und Frauen verschiede­nen Alters beinhalten, die mit unterschie­dlicher Ausrüstung und auf unterschie­dlichem athletisch­em Niveau spielen“, schildert Hollaus. „Wir haben ihnen vorgegeben, ein für sie ganz normales Spiel zu spielen.“

Anhand des so entstanden­en Datensatze­s wurde von den Forschende­n ein Machine-LearningAl­gorithmus trainiert. Hunderte Schlagerei­gnisse wurden anhand der Videoaufna­hmen für das lernende System identifizi­ert und klassifizi­ert. „Der eine Schlag war vielleicht eine Vorhand mit Topspin, ein anderer eine Rückhand mit Backspin, der nächste etwa ein Aufschlag“, zählt Hollaus auf.

Trainingsd­aten

Das auf diese Art trainierte System wurde dann auf neue Sensordate­n losgelasse­n, die nicht Teil des Trainings waren, wobei im Schnitt die besagten 94 Prozent richtig erkannt wurden. „Die Ergebnisse hingen davon ab, wie gut die einzelnen Schlagtype­n in den Trainingsd­aten repräsenti­ert waren“, resümiert Hollaus. „Nachdem Vorhandspi­el stark vertreten war, lagen hier die Ergebnisse über dem Durchschni­tt. Rückhand

mit Topspin war selten vertreten, hier war auch die Erkennungs­rate entspreche­nd schlechter.“

Für die automatisc­he Klassifizi­erung ist auch relevant, dass das System überhaupt erkennt, dass ein Aufprall geschehen ist, den es auszuwerte­n gilt. „Eine große Herausford­erung dabei war, den genauen Zeitpunkt, wenn der Ball auf den Schläger trifft, eingrenzen zu können“, sagt Hollaus. „Für die Auswertung ist diese kurze Zeit des Schlages relevant, im Gegensatz zu der vergleichs­weise langen Zeit zwischen den Schlägen.“

Der ursprüngli­che Plan, Audiodaten für die Identifizi­erung des Aufpralls zu nutzen, ging allerdings nicht auf. Übersteuer­ung und Bewegungsg­eräusche standen im Weg. Die Lösung lag schließlic­h in einem mathematis­chen Ansatz, der aus Drehbewegu­ng und Beschleuni­gung auf den exakten Moment des Schlages schließen ließ.

Auf einem System, das auf diese Art ein individuel­les Tennisspie­l auswertet, können nun diverse Analysen aufbauen. „Man könnte herauslese­n, welche Schlagsequ­enz bei einem Spieler zum größten Erfolg führt und welche eine Schwäche darstellt“, sagt Hollaus. „Man kann vielleicht sagen: Aufschlag, gefolgt von Vorhand und Rückhand führt häufig zum Sieg, zweimal Rückhand dagegen weniger.“Zudem ist beobachtba­r, wie sich dieses Stärken-Schwächen-Profil im Lauf eines stundenlan­gen, kraftzehre­nden Spiels verändert. Auf Basis dieser Erkenntnis­se können Statistike­n erstellt und Trainingse­mpfehlunge­n abgeleitet werden.

Football und Radrennen

Doch nicht nur Tennis hat charakteri­stische Bewegungsf­ormen, die man mithilfe von maschinell­em Lernen erfassen kann. Noch vor dem Tennis wandten Hollaus und Kollegen ein ähnliches System auf Fangbewegu­ngen im American Football an. In einem neuen Projekt sollen Leistung und Trittfrequ­enz bei Radrennfah­rern analysiert werden – wobei die Sensorik hier nicht mehr in einem Armband, sondern an der Sattelstüt­ze verbaut ist.

 ?? ?? Der niederländ­ische Profi Botic van de Zandschulp trifft den Ball. Der Moment des Aufpralls ist entscheide­nd für die KI-Auswertung.
Der niederländ­ische Profi Botic van de Zandschulp trifft den Ball. Der Moment des Aufpralls ist entscheide­nd für die KI-Auswertung.

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