Der Standard

Verführung und Vollzug

Die US-Stars Bruno Mars und Anderson Paak frönen auf dem Album „An Evening With Silk Sonic“in stilechten Hemden dem schwülstig­en Soul der 1970er-Jahre. Das hat was, aber etwas fehlt.

- Karl Fluch

Balz, balz, schmacht, schmacht: „I need you, baby!“Die Streicher streicheln, der Chor sülzt. Es ist ein Ziehen und sich Zieren, ein gesungenes Vorspiel, eine Mischung aus Begehren und Hinhalten. Verheißung­svoll Leave The Door Open genannt, ist es der Einstieg in ein gemeinsame­s Album von Bruno Mars und Anderson Paak. Eine Paarung wie eine hohe Fixzinszus­age seitens der Bank.

Der aus Hawaii stammende Mars ist ein Sonnenkind im R ’n’ B und soll über 100 Millionen Alben verkauft haben: Er gilt als einer der erfolgreic­hsten US-Musiker des letzten Jahrzehnts. Anderson Paak ist Rapper, Produzent und Schlagzeug­er und hat anders als der Marsianer eine härtere terrestris­che Biografie: Vater im Knast, kriminelle Mutter, er mit Familie obdachlos, doch bald darauf weltberühm­t: Stars and Stripes wie aus dem Lehrbuch.

Beide sind Mitte der 1980er auf die Welt gekommen, beide widmen sich nun unter dem Namen Silk Sonic einer Musik, die zehn Jahre davor angesagt war: 1970er-Jahre-Soul und -Funk. Das waren Mächte im Mainstream, aber am absteigend­en Ast. Hochgehalt­en wurden sie von riesigen Streichers­ätzen, kirchencho­rgroßen Hintergrun­dstimmen.

Mars und Anderson übertreibe­n es damit zwar nicht, stehen aber dennoch in Erbfolge von Bands wie The Delfonics, den Chi-Lites, Ohio Players oder Earth, Wind and Fire, die diese Musik weltweit erfolgreic­h gemacht haben. Das ergibt noch 2021 einen Verführung­sund Vollzugs-Soul, der mit Songs wie After Last Night seine postkoital­en Momente hat. Die beiden gehen aus Überzeugun­g auf Zeitreise, begeben sich in die analoge Aufnahmewe­lt, stellen nach, was damals die Charts hochklette­rte. Und sie haben mit Bootsy Collins als ehemaligem James-Brown- und George-Clinton-Bassisten jemanden an Bord, der ihnen gewisserma­ßen die Absolution erteilt und die Saiten schnalzen lässt wie die Zunge auf dem Weg zum Glück.

Spind-taugliche Gatefolds

Das führt zu einschlägi­gen Balladen, denen man die Lust daran zwar anhört, überzeugen­der sind dennoch die Funk-Stücke, denen Anderson mit Rap-Gesang einen zeitgenöss­ischen Touch verleiht beziehungs­weise daran erinnert, dass Sprechgesa­ng damals schon eine immer wieder auftauchen­de Mitteilung­sform war. Die Hingabe in Fly As Me passt, die Ergebnisse bleiben dennoch immer eine Spur zu brav und erwartbar.

Gar hosenschis­sig fällt das Cover aus. Brav nachgestel­lt sieht man die beiden im VintageLoo­k porträtier­t. Für Spind-taugliche Gatefolds, wie sie die Ohio Players in den 1970ern veröffentl­icht haben, waren sie dann doch zu feig. Das färbt letztlich auf die Musik ab.

 ?? ?? Bruno Mars und Anderson Paak spielen als Silk Sonic 1970er-Jahre-Soul und -Funk. Mit Bootsy Collins ist jemand dabei, der weiß, wie das geht.
Bruno Mars und Anderson Paak spielen als Silk Sonic 1970er-Jahre-Soul und -Funk. Mit Bootsy Collins ist jemand dabei, der weiß, wie das geht.

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