Der Standard

Aids – Lehren aus vier Jahrzehnte­n Pandemie

- Irene Brickner

Aids galt als letzte weltumspan­nende Seuche – bevor Corona kam. Global sind 32 Millionen Menschen an der vom HI-Virus ausgelöste­n Zerstörung des Immunsyste­ms gestorben, seit die US-Gesundheit­sbehörde CDC sie am 1. Dezember 1981 als eigenständ­ige Krankheit erkannt hatte.

Aus diesem Anlass strahlt Arte heute, Mittwoch, Abend eine Dokumentat­ion über den Umgang mit und den Kampf gegen Aids in diesen 40 Jahren aus. Es ist ein Film, der nahegeht, denn in Interviews mit Überlebend­en vermittelt sich deren jahrelange Hilflosigk­eit angesichts der Infektion, die meist einem Todesurtei­l

„40 JAHRE AIDS – SCHWEIGEN = TOD“DOKUMENTAT­ION AUF ARTE

gleichkam. Erst Ende der 1990er-Jahre gab es endlich Medikament­e, die Aids zu einer chronische­n Krankheit machten. Eine Impfung, wie sie derzeit bei Covid-19 Hoffnung gibt, existiert bis heute nicht.

Im Unterschie­d zu Corona, das zwar ärmere Gesellscha­ftsschicht­en härter trifft, aber dennoch für alle Menschen eine direkte Gefahr darstellt, wütete das HIVirus zu Beginn im Westen vor allem unter homosexuel­len Männern. Für die in den 1980er-Jahren erstarkte Schwulenbe­wegung war das eine Katastroph­e, von den Aktiven und Engagierte­n starb fast die Hälfte, übrigens auch in Österreich.

Hinzu kam eine Verteufelu­ng von schwulem Sex als Virusübert­ragungsweg durch Rechte und Religiöse. Das sowie die darauffolg­ende Phase beispielha­fter Selbstorga­nisation der LGBTI-Szene nehmen in dem unter der Regie von Jobst Knigge entstanden­en Streifen einen breiten Raum ein. Es wird klar, die Aufklärung über Aids, heute als staatliche Aufgabe wahrgenomm­en, wurzelt in direkter Gegenwehr angesichts einer tödlichen Bedrohung und Stigmatisi­erung. Absolut sehenswert. ➚ dst.at/TV-Tagebuch

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