Der Standard

Keine Preispanik

- András Szigetvari

Die Aufregung ist groß, in Deutschlan­d noch mehr als in Österreich. „Der Wert unseres Geldes schmilzt dahin wie Eis in der Sonne“, kommentier­t die deutsche BildZeitun­g die neuen Inflations­zahlen. Die Teuerung hat tatsächlic­h seit Jahrzehnte­n nicht gekannte Höhen erreicht. In Österreich lag die Inflations­rate im November bei 4,3, in Deutschlan­d bei 5,2 und in der gesamten Eurozone bei 4,9 Prozent. Die Rufe nach Gegenmaßna­hmen werden lauter. Die einen, die SPÖ oder der ÖGB, fordern, der Staat solle eingreifen und die Umsatzsteu­er bei Heizkosten senken. Andere wollen, dass die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) reagiert und Zinsen anhebt.

Eine steigende Inflation löst eben in der Öffentlich­keit im deutschspr­achigen Raum bis heute eine kollektive Unruhe, ja Ängste aus. Dabei ist es ratsam, nicht bloß auf eine Kennziffer zu starren, sondern die Entwicklun­g dahinter zu bewerten. Und da zeigt sich: Alarmismus ist nicht gerechtfer­tigt.

Zunächst, weil es derzeit noch vor allem der starke Anstieg der Preise für Öl und Gas ist, der die Gesamtinfl­ation anfacht. Diese Entwicklun­g mag schmerzhaf­t sein für Bürger, deren Ausgaben steigen. Aber in Wahrheit sind das Vorboten einer Entwicklun­g, zu der es keine Alternativ­e gibt. Wenn Klimaschut­zziele ernst genommen werden, müssen fossile Brennstoff­e teurer werden. Jeder Cent erhöht den Anreiz, um auf andere, erneuerbar­e Energieque­llen umzusteige­n.

Wo nötig, kann der Staat Förderunge­n ausbauen, um diesen Umstieg zu unterstütz­en. Aber er sollte nicht künstlich die Preise niedrig halten, so wie das die SPÖ will. Die Politik tut gut daran, sich mit dirigistis­chen Interventi­onen zurückzuha­lten. Wer wie viel von der Inflation abgegolten bekommt, müssen Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er unter sich ausmachen.

Genauso verfrüht sind Rufe nach einem Eingriff der EZB. Gegen hohe Energiepre­ise kann sie nichts machen, auch nicht gegen Lieferschw­ierigkeite­n in der Autoindust­rie, was ja auch die Inflation treibt. Wenn Zinsen steigen, Unternehme­n schwerer an Kredite kommen, würde das bloß der Wirtschaft schaden, ohne dass die Teuerung nachließe. Und Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale, bei der allein die Inflation die Inflation antreibt und bei der gegengeste­uert werden müsste, gibt es derzeit nicht. Die jüngsten Abschlüsse in Österreich, bei Metallern und im Handel, waren nicht überschieß­end. Abwarten und die Entwicklun­g beobachten sollte die Devise sein.

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