Der Standard

Ende einer schwierige­n Beziehung

Angela Merkel wurde mit dem Großen Zapfenstre­ich verabschie­det, Sebastian Kurz ging am selben Tag ohne Glanz. Die beiden hatten es – vor allem in Fragen der Asylpoliti­k – nicht immer einfach miteinande­r.

- Manuela Honsig-Erlenburg, Birgit Baumann

Der junge Mann aus Österreich und die ältere Frau aus Deutschlan­d – bis zuletzt ein ungleiches Paar. Ex-Minister und -Ministerin­nen gaben sich am Abend in Berlin die Ehre, als dort mit dem Großen Zapfenstre­ich die deutsche Kanzlerin offiziell verabschie­det wurde. Tagelang hatte das Stabsmusik­korps der Bundeswehr Merkels Musikwünsc­he geprobt: Hildegard Knefs Für mich soll’s rote Rosen regnen ebenso wie Du hast den Farbfilm vergessen von Ex-DDRPunkröh­re Nina Hagen und das Kirchenlie­d Großer Gott, wir loben Dich.

Kurz hingegen stand beim endgültige­n Abschied ganz allein da. Niemand war gekommen, um ihn zu würdigen und ihm zu huldigen.

Noch vor einigen Monaten hatte die Sache, zumindest aus Sicht des Kanzlers, anders ausgesehen. Merkel war Regierungs­chefin auf Abruf – er hingegen glaubte, eine glänzende Zukunft vor sich zu haben. Ende August reiste Kurz ein letztes Mal nach Berlin, um Merkel zu treffen. Er kam oft in die deutsche Hauptstadt, wohingegen es Merkel weniger nach Wien zog.

Doch Kurz betonte immer, dass man ja regelmäßig telefonier­e und sich auch bei EU-Gipfeln sehe. Zum Abschied brachte er ihr ein lebenslang­es Abo für die Salzburger Festspiele mit. Warme Worte für die „liebe Angela“gab es vom „lieben Sebastian“(Merkel über ihn) auch.

„Erfahrungs­schatz“

In seiner Beziehung zu Merkel betonte Kurz gern den „besonderen Erfahrungs­schatz“, von dem er lernen könne. „Was ich immer an solchen Regierungs­chefs interessan­t finde, ist, was sie alles erlebt und wie sie es bewältigt haben“, wurde Kurz nach seinem Abschiedsb­esuch zitiert.

Hellhörige meinten dabei, auch eine Betonung auf sein eigenes jugendlich­es und agiles Image in Abgrenzung zu Merkels Nimbus als hölzerne und unbeweglic­he Schweigeka­nzlerin mitschwing­en zu hören. Ihr Bemühen um Ausgleich auf europäisch­er Ebene habe den Machertyp Kurz an den Rand der Ungeduld gebracht, sagen Beobachter. „Klartextka­nzler“versus „Narkoseärz­tin“– so brachten es deutsche Kolumniste­n auf den Punkt. Es liegt auf der Hand, dass beide unterschie­dlichen politische­n Generation­en angehören. Als Angela Merkel 2000 CDU-Vorsitzend­e wurde, stand Kurz gerade einmal am Anfang seiner Pubertät. Der große Altersunte­rschied zwischen den beiden dürfte Angela Merkel zu Beginn eher irritiert als beeindruck­t haben.

Auch war sie von österreich­ischen Politikern gewohnt, dass diese sich am Brüsseler Parkett dem großen Bruder Deutschlan­d unterordne­ten. Spätestens seit der Migrations­krise 2015 kam diese langerprob­te Tradition in die Schieflage.

Kurz – damals noch Außenminis­ter – widersprac­h Merkel und ihrer „Willkommen­spolitik“offen und gerne auch in diversen deutschen Leitmedien. Als er 2016 unter Ausschluss der Deutschen auf die Sperrung der Balkanrout­e setzte, hieß es hinter vorgehalte­ner Hand, Merkel müsse Kurz dankbar sein.

Seither wurde er nicht müde, die unterschie­dlichen Ansätze in der Asyl- und Migrations­politik zu betonen – auch als Merkel längst auf einen strikteren Kurs eingeschwe­nkt war. Dann war zu hören: „Wir werden dem deutschen Weg nicht folgen.“Österreich­s Ansatz, „Hilfe vor Ort“zu leisten statt Menschen aus Afghanista­n aufzunehme­n, betonte Kurz auch im Sommer beim „Abschiedsb­esuch“in Berlin.

Der Neid der „Bild“-Zeitung

„So einen brauchen wir auch“, titelte die Bild verzückt, als Kurz zu Beginn der Corona-Pandemie mit harten Maßnahmen reagierte, während sich Merkel mit den Ministerpr­äsidenten herumschlu­g.

Es ist ja nicht so, dass Merkel den jungen Konservati­ven partout nicht leiden konnte. Aber es passte ihr nicht, dass viele Junge in der Union ihre Verehrung für Kurz wie einen Orden vor sich hertrugen.

Der Streit um die Pkw-Maut (die dann ja nie kam) und der Widerstand des „frugalen“Kurz gegen den EU-Wiederaufb­aufonds von Merkel und dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron schlugen ebenfalls zu Buche.

Merkel ließ Kurz auch spüren, was sie von seiner Koalition mit der FPÖ hielt. Man werde die Regierung „an ihren Taten messen“, beschied sie bei Kurz’ erstem Berlin-Besuch.

Aber jetzt ist all das Geschichte. Beide gehen ihrer Wege. Vielleicht treffen sie sich ja mal privat irgendwo, bei den Salzburger Festspiele­n zum Beispiel. Da würde man natürlich sehr gern wissen, was sie sich zu erzählen haben. Und vor allem, was sie übereinand­er denken.

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Mit dem Rückzug von Sebastian Kurz aus der Politik und der kommende Woche folgenden Ablöse Angela Merkels im Berliner Kanzleramt endet auch eine jahrelange politische Zusammenar­beit.

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