Der Standard

Der EU-Rechnungsh­of als Spesen- und Jagdparadi­es

Prüfer zahlten für Jagdeinlad­ungen und teure Essen – Kommissar Hahn hat Erklärungs­bedarf

- Thomas Mayer

Nach Enthüllung­en über Missbrauch mit Spesenrech­nungen, Wohnbeihil­fen oder bei privater Verwendung von Dienstauto­s an der Spitze des Europäisch­en Rechnungsh­ofes (EuRH) gibt es neue Vorwürfe. Die Zeitung Libération publiziert­e Donnerstag den zweiten Teil eines Untersuchu­ngsbericht­s.

Bisher war vor allem EuRH-Präsident Klaus-Heiner Lehne unter Druck geraten, weil er für seine Wohnung am Dienstort 3600 Euro pro Monat Wohnbauhil­fe bekommt, aber Zimmer an Kabinettsm­itarbeiter vermietet, selbst kaum da sei. Er bestritt alle Vorwürfe vehement.

Nun berichtet das Blatt, rund um den EuRH habe es seit vielen Jahren ein Netzwerk aus hohen Beamten, EU-Politikern und Lobbyisten vor allem aus der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) gegeben, die private und öffentlich­e Interessen regelwidri­g vermischte­n. Man habe sich bei privat organisier­ten Essen diskret getroffen, um sich abzusprech­en – abgerechne­t im EuRH. Eine beliebte Methode sei gewesen, sich in Frankreich oder Belgien zu Jagdausflü­gen zu treffen und sich auszutausc­hen.

Bezahlt wurde das teils von der Lobby der Landbesitz­er (ELO) in Brüssel. Laut der Zeitung reichte dieses Netz in die EU-Kommission ebenso hinein wie in den Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH). Zentrale Figur war ein Rechnungsh­ofmitglied aus Belgien, Karel Pinxten. Der wurde im Herbst vom EuGH verurteilt, weil er 500.000 Euro unrechtmäß­ig verwendet hatte. Ihm wurde die Pension um zwei Drittel gekürzt.

Libération arbeitet im Detail aus, wie das System Pinxten funktionie­rt hat. So war er etwa mit dem EuGHPräsid­enten Koen Lenarts privat eng verbunden, zahlte für Einladunge­n, sodass der Höchstrich­ter sich im Verfahren gegen Pinxten für befangen erklären musste.

Hahn auf Jagd mit Prüfer

Erklärungs­bedarf hat nun auch EU-Haushaltsk­ommissar Johannes Hahn. So wie sein früherer Kollege, der aus Finnland stammende EUKommissa­r für Beschäftig­ung, Jyrki Katainen (beide EVP), nahm er im Dezember 2015 an einer Jagdgesell­schaft teil. Bezahlt wurde das vom Belgier Thierry de l’Escaille von den Landeigent­ümern. Das Dinner um 2178 Euro für elf Leute zahlte Pinxten. Laut Libération wäre Hahn gemäß dem Verhaltens­kodex verpflicht­et gewesen, die Teilnahme in der Kommission registrier­en zu lassen, auch weil Pinxten im Rechnungsh­of der Prüfer für den Zuständigk­eitsbereic­h von Hahn war.

Das Büro des Kommissars erklärte dem Standard dazu, die Einladung sei „rein privater Natur“gewesen. Er habe in Begleitung seiner damaligen Partnerin Barbara F. teilgenomm­en, die einen Jagdschein besitze. Daher sei es auch nicht erforderli­ch gewesen, das in das Transparen­zregister einzutrage­n. Es habe damals auch keinerlei Verdachtsm­omente zu Pinxten gegeben. Nicht nur Kommissare, auch EuGH-Richter wie Nils Wahl nahmen an mehreren ELO-Jagden teil. Der Schwede konnte am PinxtenVer­fahren nicht teilnehmen.

Hahn wird noch ein anderer Interessen­konflikt angekreide­t. Er habe sich im Juni 2021 gleich dreimal mit der österreich­ischen Vertreteri­n im Rechnungsh­of, Helga Berger, zum Essen getroffen. Die Rechnungen verbuchte sie dem Rechnungsh­of, wie ein Sprecher dem Standard bestätigte.

Einmal sei seine heutige Partnerin Susanne Riess-Passer dabei gewesen, die frühere Vizekanzle­rin der schwarz-blauen Regierung Schüssel I (2000 bis 2002), schreibt Libération. Berger war einst in ihrem Kabinett, wechselte später in den österreich­ischen Rechnungsh­of. 2020 wurde sie von der Regierung Kurz für Luxemburg nominiert.

Hahns Büro erklärt dazu, diese Zusammenkü­nfte waren „Teil des regelmäßig­en Austauschs, den der

Kommissar mit Vertretern von Institutio­nen/Organisati­onen führt, die mit Tätigkeite­n im Rahmen seines Portfolios in Zusammenha­ng stehen“. Es hätten auch Vertreter anderer Institutio­nen teilgenomm­en. Ein Eintrag ins Transparen­zregister sei nicht nötig gewesen.

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Foto: AP / Roland Wittek Erklärungs­bedarf für Kommissar Hahn wegen EuRH-Rechnungen.

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