Mahrer fordert Aufsperren aller Branchen
Wann der Lockdown enden wird, ist offen. Wirtschaftskammerchef Mahrer klagt über Placebopolitik der Regierung. Finanzminister Blümel will helfen und Tourismusministerin Köstinger für ehestmögliches Aufsperren kämpfen.
Noch ist ungewiss, wann der Lockdown für welche Branchen enden wird. Die Regierung will nächste Woche entscheiden, wie es weitergeht. Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer spricht sich erneut für ein Aufsperren aller Branchen nach dem geplanten Ende des 20-tägigen Lockdowns am 12. Dezember aus. Den Betrieben würde jegliches Verständnis fehlen, wenn sie nicht mit ihren ausgeklügelten Sicherheitsvorkehrungen öffnen dürften, sagt der oberste Wirtschaftskämmerer.
Den Pressetermin nützt der WKO-Chef für harsche „systemische Kritik“an der Bundes- und Landespolitik und wähnt sich damit auf einer Linie mit den Arbeitnehmervertretern. Es sei „skandalös, dass Betriebe geschlossen haben, die nachweislich nicht zum Infektionsgeschehen beitragen“. Mahrer spricht vor allem von Hoteliers, die sich unfair behandelt fühlten. „Es ist Zeit, dass vom Quatschen ins Tun gekommen wird“– anstelle einer „Placebopolitik“, die die Betriebe für die Versäumnisse der Politik bestrafe. Der Lockdown sei sachlich nicht begründet, es würden Gruppen gegeneinander ausgespielt. Eine Verlängerung des Lockdowns über Mitte Dezember hinaus oder ein lediglich stufenweises Öffnen wolle er sich gar nicht vorstellen, so der WKO-Chef. Die Menschen hätten kein Verständnis mehr, es sei etwas „verrutscht“, das sei „demokratiepolitisch hochgefährlich“.
Eine „ehestmögliche“Öffnung stellt Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Parteikollege und Finanzminister Gernot Blümel in Aussicht: „Ich bin eine der größten Kämpferinnen für das Aufsperren.“Die Ministerin ortet angesichts der sinkenden Infektionszahlen eine „hoffnungsvolle Entwicklung“. Wichtig sei nun aber, den „sehr schmerzhaften
Lockdown“abzufedern, und das sei auch dank der Unterstützung aus dem Finanzministerium geglückt, bedankt sie sich artig bei Blümel. So bleibe der Schutzschirm für Veranstalter aufrecht – über 1200 Anträge habe es bereits gegeben, sagt Köstinger. Sie verweist zudem auf die staatliche Übernahme von Haftungen im Ausmaß von 300 Millionen Euro für Reisebüros. Auch die Haftungsübernahme für Tourismusbetriebe werde verlängert.
Nachgeschärft
Auch im Finanzministerium wurde bei einigen Hilfsinstrumenten nachgeschärft. Wichtig sei, dass die Hilfen rasch erfolgen, hier sei auch nachjustiert worden, sagt Blümel: Der Corona-Ausfallbonus kann demnach künftig bereits am 10. jedes Monats für den Vormonat beantragt werden. „Das bedeutet, dass die ersten Auszahlungen schon vor Weihnachten getätigt werden können“, betont der Finanzminister. Antragsberechtigt sind alle Neugründungen bis zum 1. November 2021 mit mindestens 30 Prozent Umsatzeinbruch im November und Dezember bzw. 40 Prozent von Jänner bis März. Die Ersatzrate liegt bei zehn bis 40 Prozent des Umsatzrückgangs, je nach Branche. Der maximale Rahmen beträgt 2,3 Millionen Euro (statt 1,8 Millionen bisher). Die Kosten für den Ausfallsbonus beziffert Blümel nach den bisherigen Erfahrungen mit rund 700 Millionen Euro im Monat.
Für Klein- und Kleinstunternehmer wird mit 1. Dezember der im September ausgelaufene Härtefallfonds wieder aktiviert. Seit Beginn der Krise seien über die Wirtschaftskammer
durch den Härtefallfonds 2,2 Milliarden Euro ausgezahlt worden, rechnet Blümel vor. Die Kosten pro Monat liegen bei rund 100 Millionen. Daran dürfte sich nach Blümels Einschätzung auch mit der Verlängerung nichts ändern.
Was den Verlustersatz betrifft, für den die Antragsfrist kürzlich von Jahresende auf Ende März 2022 um drei Monate verlängert worden ist, sei noch keine Summe abzuschätzen, heißt es. Beim Verlustersatz gilt eine Ersatzrate von 70 bis 90 Prozent des Verlusts. Voraussetzung ist ein Umsatzeinbruch von mindestens 50 Prozent von November bis Dezember bzw. mindestens 40 Prozent Umsatzeinbruch von Jänner bis März.
Sorgen um die Leist- und Finanzierbarkeit der Hilfen macht sich der Finanzminister mit Hinweis auf die jüngste OECD-Prognose nicht. Die Industriestaatenorganisation rechnet 2022 trotz aller Unsicherheit mit einem BIP-Plus von 4,6 Prozent, für heuer mit einem Wirtschaftswachstum von 4,1 Prozent. Dies entspreche den Erwartungen der Bundesregierung, sagt Blümel.