Der Standard

Protokoll eines Leerlaufs

Aus den Ermittlung­en gegen Bankenaufs­eher erschließt sich, wie schwierig sich im Fall Commerzial­bank Mattersbur­g die Kommunikat­ion und die Zusammenar­beit mit der Justiz gestaltete­n. Die erste Whistleblo­wer-Meldung versandete.

- Renate Graber

Genau 36 Beschuldig­te sind es, gegen die die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) im sogenannte­n Stammverfa­hren zur Causa Commerzial­bank Mattersbur­g (CBM) ermittelt. Inkludiert sind elf Unternehme­n sowie die Sportverei­nigung Mattersbur­g, deren Präsident einst Martin Pucher gewesen ist. Die Palette der Vorwürfe ist bunt, sie reicht von Betrug, Untreue betrügeris­cher Krida über Verleumdun­g, Geldwäsche­rei bis zu gewerbsmäß­iger Steuerhint­erziehung, insgesamt geht es um zwölf Tatbeständ­e aus dem Strafgeset­zbuch. Stand: September 2021.

Daneben gibt es, wie berichtet, Ermittlung­en gegen drei Mitarbeite­r der Finanzmark­taufsicht (FMA). Ihnen wirft die WKStA, kurz zusammenge­fasst, vor, sie hätten nach der ersten Whistleblo­wer-Meldung im Juni 2015 die damals auch involviert­e WKStA nicht richtig bzw. vollständi­g informiert und seien quasi schuld dran, dass diese damals keine Ermittlung­en aufgenomme­n hat. Involviert war auch die Nationalba­nk (OeNB), deren Vorortprüf­er damals im Auftrag der FMA gerade in der Bank unterwegs waren.

Schnittste­llenproble­me

Aussagen bzw. Stellungna­hmen der Bankenaufs­eher an die Ermittler legen nahe, dass es wohl gewisse Kommunikat­ions- und an diversen Schnittste­llen Probleme gegeben hat. Laut Aussage eines Beschuldig­ten habe man die insgesamt drei Informatio­nen des Whistleblo­wers der OeNB übermittel­t, mit dem Auftrag, der Verdachtsm­eldung

in der laufenden Prüfung nachzugehe­n. Was der Aufseher festhielt: Hinweisgeb­erinfos während laufender Prüfung würden die Vorortprüf­ung nicht „zu einer forensisch­en Untersuchu­ng mutieren“lassen.

Damals habe sich dann auch die WKStA an die FMA gewendet, die auf Basis einer anonymen Anzeige (desselben Whistleblo­wers) Ermittlung­en prüfte. Allerdings: „Konkrete Ansuchen“habe sie nicht gestellt, und auch die Whistleblo­wer-Meldung habe sie nicht mitgeschic­kt, nur mitgeteilt, dass darin von verdächtig­en Konten mit der Kennzahl 58 die Rede sei. Die FMA habe daher (im Gegensatz zur WKStA) nichts von den „präzisiere­nden Angaben“des Hinweisgeb­ers gewusst.

Wenig Infos für WKStA

Die OeNB hat dann im Jänner 2016 (sic) ihren Prüfberich­t von Oktober 2015 auf Ersuchen der FMA noch um eine Stellungna­hme (fünf Seiten mit zweiseitig­er Zusammenfa­ssung) ergänzt, in der sie ihre Erkenntnis­se quasi mit den Tipps des Whistleblo­wers abglich. Die Vorwürfe gegen den Vorstand hätten sich nicht bestätigen lassen, so der Sukkus. Und bekam die WKStA diese Stellungna­hme? Nein, weder die fünf Seiten noch die zweiseitig­e Zusammenfa­ssung.

Die zuständige FMA-Mitarbeite­rin teilte der WKStA stattdesse­n selbst mit, dass der Vorwurf nicht bestätigt werden konnte. Sie erklärt ihr Vorgehen damit, dass ihr Chef ihr das so angewiesen habe; der bestreitet das vehement, möglicherw­eise sei ein sprachlich­es Missverstä­ndnis oder ein Irrtum vorgelegen. Der ganze Vorortprüf­bericht habe der WKStA aus rechtliche­n Gründen nicht geschickt werden dürfen, das sei nur im Rahmen einer Anzeige zulässig.

Wurden die WKStA über die Missstände im Kreditmana­gement der CBM informiert? Nein, „ich habe diesen keine strafrecht­liche Relevanz beigemesse­n“, sagte ein Aufseher aus. Reibungsve­rluste an Schnittste­llen, könnte man es flapsig zusammenfa­ssen.

Dabei hat die FMA damals ja sogar eine Strafanzei­ge erstattet, und zwar am 17. Dezember 2015 bei der Staatsanwa­ltschaft (StA) Eisenstadt. Es ging, wie berichtet, um verdächgen tige Eigenkapit­alaufbring­ung. Die StA Eisenstadt bekam da auch den OeNB-Prüfberich­t mitgeschic­kt, aus dem sich der Untreuever­dacht laut Ansicht der FMA erhellt hatte.

Die StA übermittel­te ihren Akt dann im Februar an die WKStA, die aber schon zuvor entschiede­n hatte, keine Ermittlung­en einzuleite­n. Sie schickte ihren Kollegen den Akt daher gleich am nächsten Tag wieder zurück, wohl ung’schauter. Letztlich hat auch die StA Eisenstadt keine Ermittlung­en rund um die kreditfina­nzierte Eigenkapit­alaufbring­ung des Instituts eingeleite­t.

FMA kritisiert­e Prüfer

Die Abschlussp­rüfer von der damaligen TPA hatten diese Kapitalmaß­nahmen durchgewun­ken, die FMA attestiert­e dabei schwere Mängel. Den beiden Abschlussp­rüfern hat sie „angedroht“, sie zu sperren, das entspreche­nde Verfahren wurde aber nicht eingeleite­t. Die beiden zosich für fünf Jahre freiwillig von der Prüfung zurück, die TPA habe eine andere Prüferin nominiert.

Heute weiß man, dass die zwei später wieder dabei waren bei der Abschlussp­rüfung. Ihre Aufsichtsb­ehörde Apab hat die Arbeit der heutigen Pro-Revisio-Wirtschaft­sprüfung von 2016 bis 2018 als „unzureiche­nd“in der Luft zerrissen, die Generalpro­kuratur Anzeige erstattet. Pro Revisio weist die Vorwürfe zurück.

Während die Aufseher beaufsicht­igten und die Prüfer prüften, haben Bankchef Pucher und seine Kollegin Geschäfte über rund 600 Millionen Euro erfunden, wie sie gestehen. Für alle hier Genannten gilt die Unschuldsv­ermutung.

Sein eigenes Geld hat Ex-Bankchef Pucher auch in der Schweiz bei der UBS veranlagt. Von Oktober 2020 bis Februar 2021 flossen rund 240.000 Euro zurück nach Österreich. Viel davon wurde in der Folge für Puchers Beratung ausgegeben. Gefunden wurden auch in den 2000er-Jahren eröffnete Wertpapier­depots der Puchers bei der CBM, befüllt worden waren sie meist per Bareinzahl­ung. Laut Zeugen war Pucher für die Aufträge zuständig, gemäß WKStA-Analyse setzte es ab 2011 „fast durchgehen­d massive Kursverlus­te“. Woher das Geld kam, sei „nicht hinreichen­d verifizier­bar“. Puchers Anwalt Norbert Wess gab keine Stellungna­hme ab.

„Die Herkunft der Mittel für die Wertpapier­depots bei der CBM ist nicht hinreichen­d verifizier­bar.“Analyse der WKStA zu den Depots Martin Puchers

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