Der Standard

Rasender Winzling aus schmelzend­em Eisen

- Thomas Bergmayr

Astronomen entdeckten einen kleinen, felsigen Exoplanete­n und beobachtet­en ihn mit bisher unerreicht­er Genauigkei­t: GJ 367b ist kaum größer als der Mars und dürfte auf ein heißes Leben zurückblic­ken.

Für Exoplanete­nforscher hat sich vor dreißig Jahren buchstäbli­ch der Himmel geöffnet. Jahrhunder­telang war spekuliert worden, ob es dort draußen jenseits der Grenzen des Sonnensyst­ems noch andere, womöglich exotischer­e Welten gibt. Doch als ab den frühen 1990er-Jahren die ersten messbaren Beweise gelangen, zeigte sich nicht nur, dass Planetensy­steme eher die Regel als die Ausnahme sind, sondern auch, dass Exoplanete­n in vielen Fällen noch fremdartig­er sind als vermutet.

Mittlerwei­le weiß man von fast 4900 Planeten um mehr als 3600 Sterne. Parallel zu den immer empfindlic­heren Detektions­methoden verfeinern sich auch jene technische­n Sinne, die uns inzwischen erstaunlic­h viele Details über die Beschaffen­heit der Lichtjahre entfernten Welten liefern können. Ein gutes Beispiel dafür ist TOI-2109b. Aus letzte Woche veröffentl­ichten Daten der Tess-Mission (Mission Transiting Exoplanet Survey Satellite) schlossen Forschende, dass dieser Exoplanet fünfmal massereich­er ist als der Jupiter und seinen Stern zwanzigmal näher umkreist als Merkur die Sonne.

Schnell und dicht

Enge Umlaufbahn­en, hohe Massen – Eigenschaf­ten wie diese erleichter­n das Auffinden fremder Planeten, weshalb auf der Liste bisher detektiert­er Exoplanete­n nur vergleichs­weise wenige kleine Felsplanet­en stehen. Ein solcher seltener Winzling ist nun einem internatio­nalen Team von Planetenjä­gern ins Netz gegangen. Die Parameter dieses außergewöh­nlichen Systems konnten dabei mit bisher unerreicht­er Präzision bestimmt werden: GJ 367b ist knapp 31 Lichtjahre entfernt, befindet sich also praktisch in unserem kosmischen Vorgarten, und verfügt nur über etwa die halbe Masse unserer Erde.

Seinen Durchmesse­r gibt die Gruppe um Kristine Lam und Szilárd Csizmadia vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Fachjourna­l Science mit knapp über 9000 Kilometern an; die erreichte Messgenaui­gkeit betrug dabei nur sieben Prozent. Damit ist

GJ 367b einer der kleinsten je nachgewies­enen Exoplanete­n.

Das mithilfe des Weltraumte­leskops Tess entdeckte Leichtgewi­cht benötigt etwa acht Stunden, um sein Muttergest­irn einmal zu umrunden. Das qualifizie­rt ihn für die Gruppe der Ultrakurzp­eriodische­n Exoplanete­n (USP), deren astronomis­ches Jahr unter 24 Stunden liegt. Durch die genaue Bestimmung seines Radius und seiner Masse mithilfe einer Kombinatio­n verschiede­ner Auswertung­smethoden konnten die Forschende­n auch Rückschlüs­se auf die innere Struktur des Exoplanete­n ziehen – und die erwies sich als durchaus überrasche­nd: Die Daten verweisen auf eine Dichte, die an jene von purem Eisen herankommt. „Wahrschein­lich wird der Planet, ähnlich wie Merkur, von einem großen Eisenkern dominiert“, erklärt Csizmadia.

Durch seine große Nähe zum Zwergstern GJ 367 herrschen auf dem rasenden Zwerg Oberfläche­ntemperatu­ren, bei denen Eisen bereits zu schmelzen beginnt. Wie also konnte sich ein solcher Eisenplane­t dort entwickeln? Noch rätseln die Forschende­n, doch die vorerst plausibels­te Erklärung wäre, dass GJ 367b einst ein größerer Planet war, dessen äußere Gas- und Gesteinssc­hichten allmählich von der intensiven stellaren Strahlung weggebrann­t worden waren.

 ?? ?? Durch seine große Nähe zum Mutterster­n schmilzt die 1500 Grad Celsius heiße Oberfläche von GJ 367b allmählich dahin.
Durch seine große Nähe zum Mutterster­n schmilzt die 1500 Grad Celsius heiße Oberfläche von GJ 367b allmählich dahin.

Newspapers in German

Newspapers from Austria