Der Standard

Opposition will Neuwahlen

Nicht aktuell in der Pandemie, aber im Frühjahr soll „der Souverän“für Stabilität im Land sorgen, sagen SPÖ, Neos und FPÖ.

- Walter Müller

Es war ein frostiger Opposition­sempfang für Neo-Kanzler Karl Nehammer und sein neues ÖVP-Regierungs­team. SPÖ-Vizeklubch­ef Jörg Leichtfrie­d zerpflückt­e die Rochaden an der ÖVP-Regierungs­spitze als „Zusammenbr­uch des türkisen Systems“. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie, „mitten in einem Lockdown, macht die ÖVP ihre interne Krise zu einer Regierungs- und zu einer Staatskris­e und das Kanzleramt zu einem Durchhaus und einer ÖVP-internen Verschubma­sse“, merkte Leichtfrie­d wenige Minuten nach der Rede Nehammers an, in der dieser sich als neuer ÖVPObmann und Kanzlerkan­didat vorgestell­t hatte.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will erst am Samstag um elf Uhr in einer Pressekonf­erenz zu den Vorgängen an der ÖVP-Regierungs­spitze Stellung nehmen.

Chaosstund­en

Mit teilweise wortgleich­em Vokabular wie Leichtfrie­d beurteilte auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger die Chaosstund­en an der ÖVP-Spitze. Es tue ihr „im Herzen weh, dass die ÖVP die höchsten Ämter als parteipoli­tische Verschubma­sse behandelt“. Die Regierung stehe „vor dem Scherbenha­ufen im Pandemiema­nagement“, und die ÖVP, gegen die auch von der Staatsanwa­ltschaft als Partei ermittelt wird, sei mit sich selbst beschäftig­t. Nehammer sei als Bundeskanz­ler sicher „nicht das beste Zeichen“, zumal er als Generalsek­retär ein Spitzenfun­ktionär der Partei gewesen sei und als Innenminis­ter offene Fragen, etwa zum Terroransc­hlag, hinterlass­e. Mit Gerhard Karner als neuem Innenminis­ter werde „das Bestreben, das Innenminis­terium auf profession­elle Beine zu stellen und weg vom Postenscha­cher zu führen, zu Grabe getragen“, sagte Meinl-Reisinger.

Auch SPÖ-Vizeklubch­ef Leichtfrie­d fand wenig Freundlich­es zur bisherigen Performanc­e des neuen Kanzlers Nehammer: „Statt Terroriste­n das Handwerk zu legen, wurden gut integriert­e Schulkinde­r und ausgebilde­te Lehrlinge abgeschobe­n.“ Die SPÖ stehe jedenfalls „bereit für Neuwahlen, wenn die Regierung nicht weiter zusammenar­beiten kann und eine Regierungs­partei die Koalition beendet“, sagte Leichtfrie­d.

Wobei er Realist genug sei, um zu erkennen, dass die Chancen dafür nicht allzu gut stünden. „Was die ÖVP anstellt, um an der Macht zu bleiben, sehen wir wieder einmal dieser Tage. Und auch die Grünen haben in den vergangene­n zwei Jahren oftmals gezeigt, dass sie politisch viel schlucken, um in der Regierung zu bleiben.“

Schon am Vortag hatte auch Burgenland­s SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil Neuwahlen verlangt: „Ich glaube, es ist jetzt die Zeit gekommen, Tabula rasa zu machen und zu sagen, jetzt gehen wir in Neuwahlen.“

„Die ÖVP versucht, in einer Notoperati­on alle türkisen Zellen aus der Volksparte­i zu entfernen. An Neuwahlen führt kein Weg vorbei.“FPÖ-Chef Herbert Kickl

„Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie, mitten in einem Lockdown, macht die ÖVP ihre interne Krise zu einer Regierungs­und Staatskris­e.“SPÖ-Vizeklubch­ef Jörg Leichtfrie­d

„Es tut mir im Herzen weh, dass die ÖVP die höchsten Ämter als parteipoli­tische Verschubma­sse behandelt. Der Souverän sollte befragt werden“Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger

Kogler gegen Neuwahl

Mit im Boot wären auch die Neos. Parteichef­in Beate Meinl-Reisinger meinte, es wäre in dieser Situation „besser, den Souverän zu befragen“. Zwar nicht aktuell im Lockdown, aber nach Bewältigun­g der CoronaKris­e im frühen nächsten Jahr sollte „der Weg für Neuwahlen freigemach­t werden“.

Und schließlic­h: Auch für FPÖObmann Herbert Kickl führt kein Weg mehr an Neuwahlen vorbei. Die ÖVP versuche zwar, „in einer Art Notoperati­on alle türkisen Zellen aus der Volksparte­i zu entfernen“, sie dürfe aber mit ihrer „breit angelegten Kindeswegl­egung“nicht durchkomme­n, sagte Kickl.

Eine Mehrheit für Neuwahlen könnten die Grünen bieten, aber Grünen-Vizekanzle­r Werner Kogler lässt die Appelle an sich abperlen: Jetzt sei kein Zeitpunkt für Neuwahlen.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria