Der Standard

Diplomatis­cher Dialog und rote Linien

Moskau und Washington wollen die Spannungen rund um die Ukraine in einem persönlich­en Gespräch der Präsidente­n Wladimir Putin und Joe Biden entschärfe­n. Mit dem Außenminis­tertreffen in Stockholm ist der Kreml zufrieden.

- André Ballin aus Moskau

In Moskau setzt sich die Agentenjag­d fort: Am Freitag nahm der FSB einen Russen wegen Hochverrat­s fest. Was genau der 34-jährige Mann getan hat und in wessen Auftrag, wurde vorerst nicht bekannt. Tags zuvor hatte der russische Geheimdien­st noch drei Ukrainer wegen Spionage und angebliche­r Attentatsp­läne hochgenomm­en.

Auf internatio­nalem Parkett hingegen beruhigt sich die Lage nach der Aufregung der letzten Tage und Wochen etwas. Zwar werfen Russland und die Ukraine einander immer noch vor, einen Angriff auf den jeweils anderen zu planen: Kremlsprec­her Dmitri Peskow sprach von einer direkten Bedrohung, die von Kiew ausgehe, der ukrainisch­e Verteidigu­ngsministe­r Alexej Resnikow am Freitag von 94.000 russischen Soldaten an der Grenze, die womöglich Ende Jänner in Marsch gesetzt würden. Doch beim Treffen der OSZE-Außenminis­ter in Stockholm waren die Töne weniger schrill.

Österreich­s Außenminis­ter Michael Linhart, der mit seinem russischen Amtskolleg­en Sergej Lawrow zusammentr­af, sprach anschließe­nd von einem konstrukti­ven Gespräch, mit dem „Ziel, zu einem sachlichen Dialog zurückzuke­hren“. Die Beziehunge­n zwischen der EU und Russland seien gespannt, räumte er ein. Aber: „Wir haben einen zweigleisi­gen Ansatz: rote Linien, wo nötig, Dialog, wo möglich“, fügte er hinzu.

Lawrows Freund Tony

Wichtigste­r Termin für Lawrow war das Treffen mit US-Außenminis­ter Antony Blinken. Das Tête-à-Tête dauerte nur 40 Minuten, ist aber der anschließe­nden Reaktion aus Mosin kau nach zu urteilen zur Zufriedenh­eit der Russen verlaufen.

Lawrow, der schon während des Gesprächs Blinken mehrfach vertraulic­h mit Tony ansprach, teilte anschließe­nd mit, dass bereits im Dezember die nächste Verhandlun­gsrunde zur strategisc­hen Sicherheit stattfinde­n solle. Zudem wurde auch vereinbart, dass die diplomatis­chen Vertretung­en beider Länder, gestört durch zahlreiche Ausweisung­en, wieder aufgestock­t werden, um ihre normale Arbeit aufzunehme­n.

Für Moskau noch wichtiger: Der Kreml verhandelt nun auf Augenhöhe mit dem Weißen Haus über die Vorgänge in der Ukraine. Die USA haben sich bereiterkl­ärt, als Vermittler zwischen Moskau und Kiew zu fungieren. Da die russische Führung die politische­n Figuren in Kiew um Präsident Wolodymyr Selenskyj

der Vergangenh­eit ohnehin nur als Marionette­n des Westens bezeichnet hat, ist das Format eines direkten Dialogs mit den USA bequemer, zumal es sich auch innenpolit­isch gut vermarkten lässt.

Virtuelles Treffen

Vereinbart haben die beiden Diplomaten unter anderem ein direktes Gespräch zwischen Joe Biden und Wladimir Putin. Kremlsprec­her Peskow betonte am Freitag, die Vorbereitu­ngen dazu liefen, einen konkreten Termin gebe es aber noch nicht. Es könne sowohl in der nächsten als auch in der übernächst­en Woche stattfinde­n. „Was das Format betrifft – wir sprechen von einer Videokonfe­renz“, stellte Peskow klar.

Hinter den Kulissen wird allerdings auch darüber spekuliert, dass dem Videochat ein persönlich­es

Treffen der beiden Staatschef­s Anfang 2022 folgen könnte. Der einzige Gipfel der beiden bisher fand im Juni in Genf statt. Themen des Gipfels sind neben der Deeskalati­on der

aktuellen Spannungen in Europa auch Abrüstungs­verträge und der ganze Bereich Cyberkrimi­nalität.

Russland hat seine Erwartunge­n an den Westen zuletzt deutlich präzisiert. Putin erklärte in einer Rede vor Botschafte­rn, Moskau wolle schriftlic­he Garantien haben, dass die Nato sich nicht weiter nach Osten erweitern werde. Konkret fürchtet Moskau einen Beitritt der Ukraine und Georgiens.

Russland sei an einem Abkommen interessie­rt, das „die Sicherheit­sinteresse­n aller“berücksich­tige. Moskau werde daher in Kürze seine Vorschläge zu einem „juristisch verbindlic­hen“Vertrag vorlegen, kündigte Lawrow an.

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US-Außenminis­ter Antony Blinken (links) und sein russischer Kollege Sergej Lawrow wollen die bilaterale Diplomatie wieder stärken und ebneten den Weg für ein Gespräch ihrer Chefs.

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