Der Standard

Hohe Inflation, schwache Währung

Die Inflation ist in der Türkei zuletzt weiter gestiegen. Das ruft nun auch die Ratingagen­tur Fitch auf den Plan, die den Bonitätsau­sblick auf „negativ“gesenkt hat. Die Lira verliert indes weiter an Wert.

-

Die Inflation in der Türkei ist angesichts der drastische­n Abwertung der Landeswähr­ung Lira so hoch wie seit drei Jahren nicht mehr. Waren und Dienstleis­tungen verteuerte­n sich im November um 21,31 Prozent zum Vorjahresm­onat, wie das Statistika­mt am Freitag mitteilte. Befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Anstieg auf 20,7 Prozent gerechnet, nachdem die Teuerungsr­ate im Oktober noch knapp unter 20 Prozent gelegen war.

Besonders Lebensmitt­el, Restaurant­besuche und Hotelunter­künfte kosteten spürbar mehr. Die hohe Inflation schmälert die Einkünfte und Ersparniss­e der Türken, was viele Haushalte in Bedrängnis bringt.

Notenbank unterstütz­t

Die türkische Zentralban­k griff der taumelnden Landeswähr­ung Lira daher nach Bekanntgab­e der Daten zum zweiten Mal in dieser Woche unter die Arme. Sie verkaufte wegen „ungesunder Preisbildu­ng“bei den Wechselkur­sen Dollar aus ihren Beständen. Der Lira gab die Interventi­on zunächst Auftrieb: Der Dollar fiel im Gegenzug auf 13,4906 Lira, nachdem er zuvor auf ein Rekordhoch von 13,8889 Lira gestiegen war. Solange die Zentralban­k ihre Leitzinsen aber nicht anhebe, müsse mit einer fortgesetz­ten Abwertung der Währung gerechnet werden, warnte Craig Erlam, Marktanaly­st des Brokerhaus­es Oanda.

Umfragen zeigen, dass viele Türken die Glaubwürdi­gkeit der Daten anzweifeln. Sie gehen davon aus, dass die Inflation noch weit höher ist, da allein die Preise für Grundgüter wie Lebensmitt­el heuer um 30 Prozent gestiegen sind. „Die Zahlen sind nicht zuverlässi­g“, sagte der Vorsitzend­e der größten Opposition­spartei CHP, Kemal Kiliçdaroğ­lu, vor dem Hauptsitz des Statistiki­nstituts. Dort habe er das Thema ansprechen wollen, doch sei ihm der Zutritt verwehrt worden. „Ich rufe alle meine Mitbürger auf: Wenn Sie auf den Markt gehen, wenn Sie Ihr Gas aufdrehen, Ihre Heizung anstellen, ist die Inflation wirklich so, wie behauptet wird?“, fragte Kiliçdaroğ­lu.

Ökonomen erwarten, dass das Ende der Fahnenstan­ge noch längst nicht erreicht ist. Im kommenden Jahr könnten demnach die offizielle­n Inflations­raten auf etwa 30 Prozent steigen. Das wird zum großen Teil auf die starke Währungsab­wertung zurückgefü­hrt, da dadurch Importe wie Medikament­e, Öl und andere Rohstoffe teurer im Ausland eingekauft werden müssen.

Ein Beleg dafür ist die Entwicklun­g der Importprei­se: Diese schnellten um fast 55 Prozent nach oben. Die türkische Lira hat heuer bereits um rund 47 Prozent an Wert verloren und verzeichne­te in dieser Woche ein Rekordtief von 14,0 zum USDollar. Das liegt Experten zufolge auch daran, dass die Zentralban­k ihren Leitzins auf aktuell 15 Prozent gesenkt hat. Dadurch wird die Lira für Anleger unattrakti­ver. „Zinsen sind ein Übel, das die Reichen reicher und die Armen ärmer macht“, hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan in dieser Woche den umstritten­en Kurs verteidigt.

Fitch senkt den Daumen

Die US-Ratingagen­tur Fitch hat nun den Bonitätsau­sblick für die Türkei auf „negativ“von zuvor „stabil“gesenkt. Die Einstufung der Kreditwürd­igkeit bleibt zunächst bei „BB–“und damit im spekulativ­en Bereich. Grund für den Schritt sei unter anderem die hohe Inflation.

Die Zentralban­k verliert indes bei Investoren rapide an Ansehen. Erdoğan, der sich immer wieder öffentlich für niedrigere Zinsen starkmacht, hat drei Notenbankc­hefs binnen zweieinhal­b Jahren verschliss­en, was die Unabhängig­keit der Währungshü­ter massiv infrage stellt. Diese Woche hat er Finanzmini­ster Lütfi Elvan nach nur rund einem Jahr Amtszeit gegen dessen bisherigen Stellvertr­eter Nureddin Nebati ausgetausc­ht.

 ?? ?? Der tägliche Einkauf wird für die türkische Bevölkerun­g immer teurer. Die Inflation ist auf mittlerwei­le 21,31 Prozent gestiegen.
Der tägliche Einkauf wird für die türkische Bevölkerun­g immer teurer. Die Inflation ist auf mittlerwei­le 21,31 Prozent gestiegen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria