Der Standard

Unser Leben im Lockdown

- Lisa Breit

Gelassen hinnehmen, was ist: manchmal gar nicht so einfach. Speziell, wenn die unterschie­dlichsten Bedürfniss­e auf einen Nenner zu bringen sind. Wir haben vier Familien gefragt, wie es ihnen im vierten Lockdown geht. Eine Großfamili­e, ein Paar mit kleinem Baby, eine Alleinerzi­ehende und eine Familie mit erwachsene­n Töchtern erzählen.

Nicht schon wieder! Es gab ein kollektive­s Stöhnen, als die Regierung vor zwei Wochen den mittlerwei­le vierten Lockdown in zwei Jahren verkündete. Für Familien ist diese Zeit besonders stressig: Sie bedeutet mehr Enge, mehr Konfliktpo­tenzial, mehr Organisati­on.

„Viele Familien sind stark am Limit, und das schon seit sehr langer Zeit“, weiß Ulrike Zartler. Die Soziologin an der Universitä­t Wien befragt seit Beginn der Pandemie Eltern zu ihrer Situation. Auch jetzt führt sie wieder Interviews: „Nachdem es nicht der erste Lockdown ist, haben die meisten bereits Strategien entwickelt. Das sind jedoch mitunter sehr ungesunde Strategien, die langfristi­g problemati­sch sind.“Was sie meint: Mütter und Väter passen ihre Arbeit irgendwie ans Familienle­ben an, vernachläs­sigen eigene Bedürfniss­e wie Essen, Schlaf und Bewegung. Auch die Kinder seien inzwischen pessimisti­sch, weil sie zum Beispiel schon den zweiten Geburtstag im Lockdown feiern.

Eine „Gewöhnung“an den Ausnahmezu­stand sei nicht zu erkennen, sagt Zartler: „Es gibt keinen Lockdownmo­dus, in den Familien einfach umstellen können.“Dafür würden sich die einzelnen Lockdowns zu stark voneinande­r unterschei­den. Speziell am aktuellen ist, dass es den Eltern überlassen wird, ob sie ihr Kind in die Schule schicken. Eine Entscheidu­ng, die die Befragten belastet. „Sie müssen überlegen, welches Risiko sie dem Kind eher zumuten wollen: die sozialen Nachteile oder die gesundheit­liche Gefahr.“Weil es für Eltern oft nicht mehr machbar ist, Beruf, Kinder und Homeschool­ing zu vereinbare­n, gehen inzwischen gut drei Viertel der Kinder in die Schule – im zweiten Lockdown waren es 33 Prozent, im ersten nur fünf. Zudem kämpfen die Eltern mit Unsicherhe­it: „Welche Regeln gelten, und wie gehen wir damit um?“

Einsamkeit stellt sich ebenfalls als Problem dar, gerade bei Müttern mit kleinen Babys. „Sie fühlen sich isoliert“, sagt Andrea Schöniger, die virtuelle Treffs für Jungmamas veranstalt­et. Nicht selten hätten sie depression­sähnliche Zustände. Was fehle, sei der Austausch, die Möglichkei­t, andere Eltern zu fragen, ob es eigentlich normal ist, dass ein Baby nachts jede Stunde wach wird, oder wann man Kindern ein erstes Gläschen Karottenbr­ei geben kann.

Wie also gehen Familien mit der Situation um? Vier von ihnen erzählen aus dem Lockdownal­ltag.

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