Wege aus der Realität
Mit Werken von Markus Prachensky, Max Weiler oder Martha Jungwirth dokumentiert „im Kinsky“, wie sich die österreichische Malerei von der Gegenständlichkeit befreite.
Paris, das war im Österreich der 1950er-Jahre der Sehnsuchtsort der Malerinnen und Maler. 1951 waren beispielsweise Maria Lassnig und Arnulf Rainer dem Surrealismus auf der Spur, um dann vor Ort die informelle Malerei rund um George Mathieu oder Pierre Soulages zu entdecken.
Auch Markus Prachensky reiste in den 1950er-Jahren mehrfach nach Paris. 1959 organisierte er am Wiener Theater am Fleischmarkt wiederum die Malperformance Peinture Liquid, wo er neben George Mathieu auftrat und literweise rote Farbe über eine Leinwand fließen ließ.
Maldynamik
Anders als Mathieu hat Prachensky die Leinwand danach zerstört. Der roten Farbe ist er aber ebenso wie dem Reisen zeitlebens treu geblieben.
Davon zeugen die Namen seiner Werkzyklen, die wie die vorliegenden Bilder aus dem Nachlass von Maria Prachensky, einer ehemaligen Ehefrau des Künstlers, der Entstehungsort betitelt: Rot und grün – Berlin (1966) ist eines von drei Gemälden, auf denen er intensive Farbflächen mit Rundformen wie Ellipsen oder Bögen kontrastiert. In der für Prachensky durchaus außergewöhnlichen und für Sammler damit hochinteressanten Serie wirken die roten Formen wie skripturale Elemente auf einem weißen Grund, auf dem ein rosa Abrieb noch von
der Bewegtheit und Dynamik des Malprozesses erzählt.
Mit einem schnellen, präzisen Strich hat auch Arnulf Rainer Gegenständliches aufgelöst: darunter seine eigene Figur (1993) genauso wie ein Porträt von Freud als Indianerhäuptling (undatiert) oder zwei Marienbilder (1990er-Jahre), auf denen er jeweils mit einer gestirung
schen Setzung die übliche Bildleserichtung durchkreuzt.
Während die beiden Künstler in der rund um Monsignore Mauer formierten Gruppe St. Stephan in den 1960er-Jahren bereits zur zeitgenössischen Avantgarde zählten, hatte Max Weiler eine Sonderposition inne: Er malte zwar dezidiert „nach der Natur“, die beiden zur Versteige
kommenden Bilder Schein des Baums (1989) und Wie ein Lärchenbaum (1972) zeigen jedoch sehr schön, dass es ihm eigentlich um den Ausdruck von Verinnerlichung ging: Weiler löste die Perspektive auf und ließ nah und fern miteinander verschwimmen. Während er die Komposition üblicherweise mit Bleistift vorzeichnete, hat er die
Umrisse des Lärchenbaums mit weißer Farbe gemalt: Das hebt den mit wenigen Strichen „skizzierten“Baum vom Malgrund ab, so als ob er darüber schwebt.
Cornelius Kolig, ein Schüler Max Weilers, interessiert die Natur dagegen vor allem als Lebensraum: In seinem „Paradies“in Vorderberg im südlichen Kärnten beschäftigt sich der vielseitige Künstler mit körperlichen Vorgängen genauso wie mit jenen der Natur: Für seine „Naturbilder“überträgt er Videobilder des Himmels direkt in sein Atelier, wo er stimmungsgeladene, kontrastreiche Ausschnitte – wie im Fall des vorliegenden Bildes – direkt mit Farbe auf Holz überträgt.
Staatspreisträgerin
Die Malerin Martha Jungwirth hat zwar die Ausstellung Wirklichkeiten (1968) bekanntgemacht, aber auch ihre Bilder führen weg von der Realität: Auf großformatigen Aquarellen lotet sie vielmehr die Grenzen des Gegenständlichen zugunsten eines intensiven, emotionalen, kraftvollen Ausdruckes aus. In der Auktion im
Dezember ist die Malerin, die 2021 den Großen Staatspreis für Bildende Kunst erhielt, neben abstrakten Bildern mit dem Porträt o.T. (Portrait) von 1992 vertreten: Man kann darauf noch Augen, Mund und Nase erahnen, zig Farbflecken strahlen jedoch davon ab in den Raum, als ob die Künstlerin das „Porträt“im Sonnenlicht gefertigt hat.