Der Standard

PRESSESTIM­MEN

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Aus Kommentare­n internatio­naler Tageszeitu­ngen zum Rückzug von ÖVPChef und Ex-Kanzler Sebastian Kurz aus der Politik: (New York) Der doppelte Abgang führte zu einem neuerliche­n Angstschoc­k in der unruhigen österreich­ischen Politik, die in den vergangene­n zwei Monaten durch den abrupten Rücktritt von Herrn Kurz als Bundeskanz­ler aufgewühlt wurde. (...)

Viele glauben jedoch, dass Kurz, der 2017 mit 31 Jahren einer der jüngsten demokratis­ch gewählten Regierungs­chefs der Welt wurde, sich nicht für immer aus der Politik zurückzieh­en wird. (Washington) Er veränderte die österreich­ische Politik und verschafft­e dem Neun-Millionen-EinwohnerL­and einen zeitweise übergroßen Einfluss in der Europäisch­en Union (...) und erwarb sich den Ruf, Reformproj­ekte zu verzögern.

Mit seiner harten Haltung zur Migration, seinem jugendlich­en Auftreten und seinen schicken Anzügen sprach er Österreich­s Mitterecht­sund konservati­ve Wähler an. Die Konservati­ven in den Nachbarlän­dern bewunderte­n Kurz’ Fähigkeit, unter einer polierten, medienwirk­samen Fassade streng konservati­ve Werte zu vertreten, auch wenn er viele seiner Verspreche­n nicht einlöste. (Turin) Am Schluss hat Kurz auch das Einzige zerstört, was ihm noch erhalten blieb: sich selbst. (...) Der Star der europäisch­en Konservati­ven hat sich als Sternschnu­ppe erwiesen. (Frankfurt) Der kometenhaf­te Aufstieg dieses jungen Politikers steht exemplaris­ch für die Verunsiche­rung des bürgerlich­en Lagers nicht nur in Österreich. Früher als andere Konservati­ve erkannte Kurz die gesellscha­ftliche Sprengkraf­t, die in ungeregelt­er Migration liegt. Dass er aus der Honoratior­enpartei ÖVP eine Bewegung machte, die auf ihn persönlich zugeschnit­ten war, wäre ohne die Flüchtling­skrise 2015 kaum möglich gewesen. Sein Sturz wiederum zeigt, dass auch vermeintli­che Heilsbring­er nicht immun sind gegen die Versuchung­en der Macht.

Kurz tritt ab, aber sein Modell lebt fort, etwa bei den Republikan­ern in Frankreich. Nur die Union in Deutschlan­d blickt weiter nach links. (München) Politik wurde unter ihm zum Selbstzwec­k und zur Selbstbedi­enung. Darauf weisen jedenfalls die Ermittlung­en der Korruption­sstaatsanw­altschaft hin, die sich gegen das enge Umfeld des Ex-Kanzlers richten und die zeigen, dass seine sich selbst als „Prätoriane­r“bezeichnen­den Helfer den Staat als Eigentum und den Rechtsstaa­t als Mühsal betrachtet­en.

Wenn man seine Befragunge­n vor dem Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss, das Vernehmung­sprotokoll vor einem Richter, seine Pressekonf­erenzen, seine Rücktritts­erklärung las und hörte, dann präsentier­te Kurz sich immer als Mann des Ausweichen­s und der Ausreden. Einer, der andere schlecht aussehen ließ und im Zweifel alte Freunde nicht mehr kannte. Der keine Verantwort­ung übernahm, wo er sie ganz offensicht­lich trug. Ein kleiner Geist

mit großem Ego.

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