Ein engagierter Rektor wird Quereinsteiger
Wer in den letzten 20 Jahren mit der Uni Graz zu tun hatte, ob aufseiten der Lehrenden oder aufseiten der Studierenden, kennt Martin Polaschek. Der 1965 in Bruck an der Mur geborene Jurist machte wissenschaftlich vor allem als Rechtshistoriker von sich reden. Polaschek forschte und publizierte viel über die Nachkriegsjustiz und Entnazifizierung, speziell über die österreichischen Volksgerichte bis 1955.
Zudem war Polaschek ab 2003 vor allem ein engagierter Vizerektor für Studium und Lehre sowie Studienrektor an der KarlFranzens-Universität. Während der monatelangen „Uni brennt“-Hörsaalbesetzungen in Graz vor rund zehn Jahren erwies sich Polaschek stets als Gesprächspartner der Studis auf Augenhöhe. Er setzte auf Dialog und Deeskalation. Auch wegen ihm kam es in Graz zu keinen Räumungen des Hörsaals – er erfüllte fast alle Forderungen der Studierenden, so auch die Umbenennung des größten Hörsaals der Uni Graz nach dem kommunistischen Widerstandskämpfer Willi Gaisch, dessen jüdische Familie in Russland von Stalin und in Österreich von den Nazis verfolgt wurde.
Auch wenn Polaschek unter dem 2019 verstorbenen ÖVP-Politiker Gerhard Hirschmann am Anfang seiner Karriere mit einem Projekt zu Föderalismus befasst war, agierte der Wissenschafter nie parteipolitisch und ist kein Parteimitglied.
Optisch fiel er als junger Vizerektor durch langes, zusammengebundenes, zeitweise blond gefärbtes Haar auf. Später schnitt er es kurz ab, nun trägt er es wieder halblang – wofür auch die Lockdowns verantwortlich waren. „Aber sie werden auch danach nur ein bisschen kürzer“, so Polaschek am Freitag.
2019 wurde er dann Rektor der Uni, wobei seine Ernennung etwas Besonderes war. Erstmals gab es keinen Dreiervorschlag, sondern der Senat suchte nur einen Namen aus: Polaschek.
Dass er nun seine Aufgabe als Rektor, die ihm viel Freude macht, für ein Regierungsamt aufgibt, kommt für viele überraschend. Am Freitag war er für den STANDARD vorerst nur per SMS erreichbar. „Muss mich um meine Uni kümmern“, schrieb der künftige Minister für Bildung und Wissenschaft. Der Abschied wird ihm gewiss nicht leichtfallen. Worin man sich bei Polaschek sicher sein kann: Braune Umtriebe duldet er nie, schon aufgrund seiner Forschungsthemen.
Polaschek ist „verheiratet, und das sehr glücklich!“. Die Grünen wird es freuen, einen Radfahrer auf der Regierungsbank zu begrüßen.