Legende der Leidenschaft
Wahrheit ist Feuer – und Wahrheit reden heißt Leuchten und Brennen“, zitierte Gustav Klimt 1897 Leopold Schefer, als er die erste Version der Nuda Veritas, Synonym seiner immerwährenden Suche nach Weisheit, nach der nackten Wahrheit, nach Freiheit und einem sinn(lich)erfüllten Leben, nach dem Paradies, erschuf. Einen Großteil seines künstlerischen Schaffens verlebte Klimt in der Josefstadt. Sein Atelier befand sich direkt vis-à-vis vom Foyer des Theaters in der Josefstadt. Zeugnis seiner Leidenschaft für das Theater per se legen die genialen Deckenfresken im Burgtheater ab. Regelmäßig besuchte er aber, nebst der Oper, vor allem die Josefstadt, die sich seit 1788 an der heutigen Adresse befand, wie man einem neuen, unter der Ägide von Günter Rhomberg publizierten Prachtband über das älteste Theater Wiens entnehmen kann. Kunsthistoriker Robert Stalla beschreibt detailverliebt, opulent illustriert die Genesis des Musentempels: die Vor- und Frühgeschichte (am Glacis), Neubau, Umbau, ruhmreiche wie dunkle Vergangenheit, die Gegenwart, mündend in einer prophetischen Vision für die Zukunft. Kreativität war stets Spiegelbild der Gesellschaft und ihrer Metamorphosen. In der jüngsten Vergangenheit hat sich in erbärmlicher Art und Weise aber leider gezeigt, wie hoch der Wert der sonst in salbungsvollen Festtagsreden von sich in der Sonne der Künste aalenden Würdenträgern weltweit beschworenen Kulturnation hierzulande wirklich ist. Beschämend, jene wird trotz der hehren Lippenbekenntnisse, innerhalb der epidemisch grassierenden Entscheidungsallergie, nicht einmal negiert. Dennoch, solange es mit wunderbar unbändiger Leidenschaft für die Kunst brennende, nach Wahrheit suchende Menschen wie Herbert Föttinger gibt, kann man, nein, muss man in die Welt hinausschreien: Das Theater, es lebt! Vivat, vivat! Gregor Auenhammer
Robert Stalla, „Theater in der Josefstadt, 1788–2030“. Hrsg.: Günter Rhomberg. € 128,– / 2 Bände / 600 S. Hirmer, 2021