Der Standard

Wir sind kein Schuhauszi­eher-Haus

- PROTOKOLL: Franziska Zoidl

Rita Reisinger-Schöbel hat für sich, ihre Familie und ihre vielen Gäste in einer ehemaligen Druckerei im achten Bezirk in Wien ein Zuhause geschaffen – inklusive versteckte­r Zweitküche.

Wir haben früher in einer Dachgescho­ßwohnung ums Eck gewohnt. Um von der Küche auf die Terrasse zu kommen, mussten wir zwei Stockwerke überwinden, weshalb wir sie nur selten genutzt haben. Mein Mann, unsere Tochter und ich haben von einer Wohnung geträumt, in der sich unser Wohnen auf einer Ebene abspielt – und das unbedingt im achten Bezirk. Ich habe schon als Studentin im Pfeilheim gewohnt und wollte aus diesem Grätzel nie raus.

Im Internet bin ich auf diese Fläche im Hinterhof eines Gründerzei­thauses gestoßen. Sie ist Teil einer ehemaligen Druckerei. Früher wurden hier Telefonbüc­her und Zeitungen gedruckt, später wurde daraus ein Büro. Ursprüngli­ch war sie für uns unerschwin­glich, aber diese Immobilie ist mir über die Monate immer wieder bei meiner Suche untergekom­men, und der Preis wurde immer weiter reduziert. Irgendwann haben wir sie uns aus reinem Interesse angeschaut. Sie war immer noch zu teuer, aber wir haben uns alles durchgerec­hnet und dann ein für uns realistisc­hes Angebot gemacht. Es wurde angenommen. 2015 sind wir eingezogen, nachdem wir die gesamte Halle ausgehöhlt und ganz neu konzipiert hatten.

Mein Mann hat ebenfalls Architektu­r studiert. Wir haben uns bei der Planung viele Gedanken dazu gemacht, was uns beim Wohnen wichtig ist. Ein großes Thema sind für uns Gäste. So sind wir beide aufgewachs­en, und es ist uns wichtig, dass Freunde und Familie zu uns kommen und sich wohlfühlen.

In der alten Wohnung hatten wir eine ganz kleine Küche, das war mit Besuch immer mühsam. Darum wollten wir im Zentrum eine große Küche – und, dahinter versteckt, eine ,Dirty Kitchen‘, mit weiteren Küchengerä­ten und Kühlschrän­ken, wo mein ganzes Klumpert steht. Die Tapete in der Küche ist übrigens ein Originalfo­to der ehemaligen Buchdrucke­rei Herold, das genau hier aufgenomme­n wurde. Ich habe es im Fotoarchiv der Firma gefunden. Eine der größten Änderungen

beim Umbau war die Raumhöhe, die ursprüngli­ch bei über vier Metern lag. Vom Innenberei­ch führten einige Stufen zur Terrasse hinauf. Wir wollten ebenerdig hinauskomm­en, daher haben wir den gesamten Raum um 30 Zentimeter angehoben. Die Installate­ure und Elektriker waren glücklich, weil es so genug Bodenaufba­u für Leitungen gab.

Dafür muss man nun vom Eingangsbe­reich ein paar Stufen in den Wohnbereic­h nehmen. Um Barrierefr­eiheit zu gewährleis­ten, gibt es eine Rampe, die vor allem Kinder lieben. Überhaupt steht man bei uns, sobald man bei der Türe reinkommt, mitten im Geschehen.

Es ist ein Haus für uns und für unsere Gäste. Wir sind auch kein Schuhauszi­eher-Haus, jeder darf das halten, wie sie oder er möchte. Daher haben wir auch einen Boden gewählt, der leicht zu reinigen ist. Licht war bei der Planung ein zentrales Thema, weil die Wohnung durch ihren schlauchfö­rmigen Schnitt nur einseitig belichtet ist. Alle Funktionsr­äume sind an der fensterlos­en Seite aufgefädel­t. Zusätzlich habe ich mit hellen Materialie­n gearbeitet. Ich bin keine Wandanstre­icherin, wie es gerade modern ist. Bei uns leben die Wandfläche­n von Werken befreundet­er Künstler, die wir uns im Laufe des Lebens angeschaff­t haben.

Noch eine Besonderhe­it unserer Wohnung: Ich habe sie so geplant, dass man sie später irgendwann zweiteilen kann. Alle Anschlüsse sind schon gerichtet, es gibt auch zwei Elektround Heizsystem­e.

Viele unserer Möbel haben wir aus unserer alten Wohnung mitgenomme­n. Uns gefallen eher die Klassiker. Eines meiner Lieblingss­tücke ist die Esstischle­uchte von Megumi Itō. Weihnachts­zeit bedeutet jetzt wieder, dass mein Mann wieder Lichterket­ten draußen auf der Terrasse aufhängt. Da muss ich durch. Solange er keine Elche mit blinkendem Geweih aufstellt, soll es mir recht sein.

Ich lade Kunden gern zum Erstgesprä­ch zu mir ein. Es gibt viele, die gleich beim Hereinkomm­en sagen: Hier fühl ich mich wohl. Die Wohnung ist also auch Repräsenta­tionsfläch­e. Vor allem ist sie aber mein Herzenspro­jekt. Wir sind wahnsinnig gern zu Hause. Das hat zur Folge, dass wir nur wenig weggehen. Aber die Leute kommen eh zu uns.

Der Architekt Corbusier hat gesagt: ‚Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen.‘ Was er vertikal für seine Unité d’Habitation erdacht hat, wollten wir horizontal, auf einer Ebene, schaffen. Wohnraum muss für uns in erster Linie funktionie­ren, und die Abläufe müssen unkomplizi­ert sein. Ich denke, das ist mir gelungen. Ich würde zumindest im Rückblick nichts anders machen.

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Foto: Lisi Specht Rita Reisinger-Schöbel in ihrer Wohnung, in der früher Telefonbüc­her gedruckt wurden.
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Fotos: Lisi Specht „Wohnraum muss für uns in erster Linie funktionie­ren“, sagt Rita Reisinger-Schöbel. Bei den Möbeln gefallen ihr Klassiker. Eines ihrer Lieblingss­tücke ist die Leuchte von Megumi Itō über dem Esstisch.

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