Tischlein, versteck dich!
Sitzen, essen, schlafen – und das alles am besten auf ein und demselben Möbelstück. Wenn Wohnraum immer kleiner wird, müssen Möbel flexibel einsetzbar sein, um den fehlenden Platz wettzumachen.
Für weniger als einen Euro pro Monat plus Nebenkosten will Ikea ein Tiny Apartment in Tokio vermieten. Freilich, die Mikrowohnung umfasst keine zehn Quadratmeter, was auch für den hochpreisigen japanischen Markt ein neues Maß an Tiny Living darstellt. Dafür ist die Garçonnière bereits eingerichtet – mit modularen Ikea-Möbeln, versteht sich.
Dass sich dahinter eine große Marketingkampagne verbirgt, liegt nahe, allerdings werden Wohnflächen auch hierzulande immer kleiner. Laut dem jüngsten Vorsorgemarktbericht von EHL haben Wiener Vorsorgewohnungen mit zwei Zimmern oft nur noch weniger als 40 Quadratmeter.
Das bestätigt auch ein Blick auf die Website von Immobilienentwickler UBM Development. Bei einem Projekt, das 2022 in WienMargareten fertiggestellt werden soll, beginnen die Wohnungen bei 30 Quadratmetern.
„Auf so kleiner Fläche müssen Möbel mehrere Funktionen erfüllen“, sagt Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern. Sie prognostiziert, dass der Trend zum Mikrowohnen zumindest in den Städten weiter zunehmen werde. Umso wichtiger sei daher, dass Wohnungen flexibler gestaltet werden. Das schreibt HorxStrathern auch im Home-Report 2022. So weit, so gut. Allein, Wohnungen verfolgen ein sehr unnachgiebiges Konzept.
Wände können nicht einfach niedergerissen werden. Auch dann nicht, wenn sie an manchen Pandemietagen immer näher zu kommen scheinen. Hochziehen lassen sie sich ebenfalls nicht ohne viel Aufwand – und keinesfalls schnell genug, sollten die Kinder einmal früher aus der Schule kommen, um zu bleiben.
Ein Möbel, viele Module
Mit Möbeln allerdings, so ist die Zukunftsforscherin überzeugt, können Räume multifunktional gestaltet werden. Zumindest dann, wenn sie gut gemacht sind. Das hätten Designer wie Mario Bellini mit dem Sofa Camaleonda bereits in den 70er-Jahren erkannt. Nun erleben Modularmöbel ein Revival. Das Tablebed vom finnischen Designer Dine Renfors ist laut Horx-Strathern ein gelungenes Beispiel. Sie hat es während eines Messebesuchs in Luxemburg gesehen. Der rechteckige Esstisch wird auseinandergeklappt, und zum Vorschein kommen Matratzen, Decken und Pölster.
Dass ein Tisch zum Arbeiten und Essen verwendet wird, sei nichts Neues, das Tablebed aber zeige, dass Designer „kreativer und ihre Entwürfe extremer“werden.
Auch die Sitzgruppe Costume vom deutschen Designer Stefan Diez entspricht dieser Idee, wenngleich seine Transformation weniger extrem ist: Das Sofa wird auch in Minimalausführung maximal zum Fauteuil. Dafür können die einzelnen Elemente zerlegt werden.
„Reinigen und reparieren ist somit simpel“, sagt Horx-Strathern, und dass derartige Entwürfe den Zeitgeist träfen. „Ihre Veränderbarkeit macht sie langlebig und nachhaltig.“Der Wunsch nach ökologischen Produkten sei pandemiebedingt genauso gestiegen wie der nach wandelbaren Möbeln.