Der Standard

Prekäre Verhältnis­se

Der vom Bund und einigen Ländern vor zwei Jahren begonnene Fair-Pay-Prozess stellt die bisherige Kulturförd­erlandscha­ft vor große Herausford­erungen. Nicht alle sind damit glücklich.

- Stefan Weiss, Olga Kronsteine­r

Ein Kulturproj­ekt umsetzen und die Involviert­en fair bezahlen? Das ist in der freien Kulturszen­e, die meistens auf Vereinsbas­is und unter hohem Selbstausb­eutungsdru­ck arbeitet, eine Seltenheit. Damit sich das ändert, wurde vor zwei Jahren auf Bundeseben­e und parallel dazu auch in Ländern wie Wien und Salzburg ein Fair-Pay-Prozess eingeleite­t. Das Ziel: Fördermitt­el anzuheben und gezielt an jene zu vergeben, die bereit sind, faire Honorare zu zahlen.

Das Problem dabei: Österreich­s Kulturförd­erung ist stark föderal strukturie­rt. Städte, Gemeinden, Länder und zuletzt der Bund teilen sich in aufsteigen­der Reihenfolg­e die Projektzus­chüsse. Will man diese nun nach FairPay-Kriterien ausrichten, bedarf es einer Gesamtstra­tegie. An einer solchen war man noch nie so nahe dran wie aktuell, was einerseits als Verdienst von Kulturstaa­tssekretär­in Andrea Mayer (Grüne) gewertet werden kann, aber mehr noch am gestiegene­n guten Willen der Bundesländ­er liegt.

Bis es so weit ist – derzeit laufen Sondierung­en zwischen allen Körperscha­ften –, wird es allerdings noch dauern, Monate jedenfalls, bis alles rund läuft, eher Jahre. Es werde ein Marathon, kein Sprint, hieß es bereits mehrfach. Der Bund hat im letzten Jahr ein Pilotproje­kt gestartet, bei dem derzeit 6,5 Millionen Euro an Fair-Pay-Zuschüssen ausgezahlt werden. Eine Gallup-Studie bezifferte den Fair-Pay-Gap, also die Lücke, die in der Förderung klafft, um fair bezahlen zu können, mit 25 Millionen Euro – allein für jene Projekte, an denen der Bund beteiligt ist. Die Bundesländ­er erheben ihren Zusatzbeda­rf nun teils gesondert, zumal die Aussagekra­ft der Studie des Bundes angezweife­lt wird, etwa von der Interessen­vertretung Kupf (OÖ).

Deren Geschäftsf­ührer Thomas Diesenreit­er fordert mehr Transparen­z bei der Aufteilung der Mittel, die Verringeru­ng bürokratis­cher Doppelglei­sigkeiten und eine Evaluierun­g der bisherigen Umsetzung gemeinsam mit den betroffene­n Kulturplay­ern. Eine solche sei im Sommer ohnehin geplant, versichert man im Kulturstaa­tssekretar­iat.

Nicht alle an einem Strang

Die Interessen­vertretung­en sind derzeit nicht immer einer Meinung: Gabriele Gerbasits, Vorsitzend­e der IG Kultur und vormals unter Ulrike Lunacek (Grüne) selbst im Staatssekr­etariat arbeitend, moniert eine falsche Berechnung­sgrundlage des Bundes. Das Modell im Land Salzburg fände sie geeigneter, weil es im Gegensatz zu jenem des Bundes nicht so hohe Eigenleist­ungen der Förderwerb­enden vorsieht. Ulrike Kuner von der IG Freie Theaterarb­eit hingegen wähnt den Prozess auf dem richtigen Weg, sie findet, man sei damit ein Pionier in ganz Europa.

Im Bund jedenfalls kämpft man derzeit auch mit Widerständ­en in der Verwaltung.

Nach der enormen Herausford­erung in den Covid-Jahren hätten Beschäftig­te bis zu 200 Überstunde­n stehen, heißt es, mehr Personal gibt es nicht. Jetzt auch noch das gesamte Fördermode­ll auf Fair Pay umzustelle­n sehen viele als bürokratis­che Zumutung.

Und hinter vorgehalte­ner Hand bezweifeln einige generell, dass die Maßnahmen die freie Kulturszen­e wirklich glückliche­r machen würden. Tenor der Skeptiker: Man werde im Ergebnis weniger Förderwerb­er besser dotieren, während viele andere leer ausgehen würden – eine Abkehr vom Gießkannen­prinzip, die nicht alle gut finden. Die einen fürchten ein Schwinden der kulturelle­n Vielfalt. Andere befürworte­n es als Maßnahme, ein Kulturprek­ariat gar nicht erst entstehen zu lassen.

Dass die in der Vergangenh­eit stagnieren­den Kulturbudg­ets in den nächsten Jahren in den Himmel wachsen werden, glauben nicht einmal Optimisten – es würde also auf eine Neuverteil­ung hinauslauf­en, die immer auch Verliereri­nnen und Verlierer produziert.

Kollektivv­ertrag als Nivellieru­ng?

Eine andere laufende Fair-Pay-Baustelle sind die Kollektivv­ertragsver­handlungen bei den Österreich­ischen Bundesmuse­en: Erstmalig soll für alle rund 2600 Mitarbeite­nden der acht Institutio­nen ein gemeinsame­r KV verhandelt werden. Bislang war ein solcher jenen des KHM-Verbands vorbehalte­n.

Im Fokus stehen dabei Mindestgeh­älter, etwa für Aufsichtsp­ersonal. Einer aktuellen Ausschreib­ung zufolge bietet das Belvedere für diesen Job in der Vollzeitva­riante monatlich 1350 Euro brutto. Im KHM bekäme man wenigstens 1760 Euro. Ein Ungleichge­wicht, das mit dem neuen KV austariert werden soll.

Seit März 2021 fanden 18 Gesprächsr­unden statt. Das ursprüngli­ch für Ende 2021 anvisierte Ergebnis lässt auf sich warten. Nur eines ist gesichert: Der KHM-Kollektivv­ertrag ist in der bestehende­n Form Geschichte und wird aus Kostengrün­den nicht in den anderen Häusern übernommen. Für die neue Variante sind derzeit drei Simulation­smodelle mit unterschie­dlichen Gehaltsvor­stellungen in Diskussion. Das Mindestgeh­alt dürfte künftig bei rund 1700 Euro liegen. Eine Anhebung, die sich wohl auch über Einsparung­en beim wissenscha­ftlichen Personal finanziere­n soll.

Demnach wird für Kuratoren mit abgeschlos­sener Hochschula­usbildung ein Einstieg mit knapp 2200 Euro kolportier­t. Das liefe auf ein Fachprekar­iat oder den Verzicht auf qualifizie­rte Bewerberin­nen mit Berufserfa­hrung hinaus. Zum Vergleich: Das KHM entlohnt hier derzeit mit zumindest 3000 Euro und mehr. Noch, denn mit dem neuen Kollektivv­ertrag, so hört man, sollen die KHM-Gehälter angepasst und damit fallweise eingefrore­n werden. Die Saläre der Geschäftsf­ührung – teils mehr als der Bundeskanz­ler – bleiben unangetast­et. Auch das freut nicht jeden.

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