Der Standard

Roboter gegen Igel

In Österreich­s Gärten sind immer mehr Rasenmäher­roboter unterwegs. Sie nehmen ihren Besitzerin­nen viel Arbeit ab, können für kleine Tiere aber gefährlich werden. In Wildtierst­ationen landen Jahr für Jahr Igel mit schweren Verletzung­en.

- Franziska Zoidl IM GARTEN

Seit einigen Jahren landen in der Eulen- und Greifvogel­station in Haringsee Igel mit ungewöhnli­chen Verletzung­en. Mit abgeschnit­tenen Schnauzen zum Beispiel, zerschnitt­enen Pfoten oder anderen „schweren Verstümmel­ungen und ganz grausliche­n Verletzung­en“, erzählt Hans Frey, Leiter der von Vier Pfoten geführten Auffangsta­tion für Wildtiere in Niederöste­rreich. 2017 waren es vier solcher Igel, 2020 13. Im Vorjahr bereits 20.

Ähnliches wird in der Wildtierst­ation im Tierheim Mentlberg in Innsbruck berichtet: Jedes Jahr würden mehrere Igel mit regelrecht „abrasierte­n Gliedern oder Gesichtern“gefunden, die häufig eingeschlä­fert werden müssten, heißt es dort auf Nachfrage: „Wie viele Tiere im Gebüsch verenden, ohne gefunden zu werden, wissen wir natürlich nicht.“

Die Tierschütz­er sind sich einig darüber, von wem die Igel so zugerichte­t werden: von den Rasenmäher­robotern, die in immer mehr Gärten leise surrend ihre Runden drehen.

Zeitlich, sagt Frey, stimme der Beginn des Booms der Mähroboter mit der Häufung der Verletzung­en überein. Die ersten Geräte kamen schon Mitte der 1990er-Jahre auf den Markt. Seit einigen Jahren lösen die Geräte, denen oft sogar liebevolle Kosenamen verpasst werden, Schritt für Schritt in immer mehr Gärten den guten alten Rasenmäher bereits ab.

Corona hat den Garten-Boom noch einmal befeuert. Baumärkte bemerken aktuell eine große Nachfrage nach den Geräten, besonders für kleinere Gärten mit weniger als 1000 Quadratmet­er Fläche, wie eine Recherche bei Hornbach ergibt.

Die flinken Roboter ersparen Gartenbesi­tzerinnen und Gartenbesi­tzern

viel Arbeit. Sie laden selbststän­dig, sind mittlerwei­le so gut wie lautlos im Einsatz und können bequem per App gesteuert werden. Das macht die elektrisch­en Schafe sehr praktisch.

Allerdings weisen Hersteller und Baumärkte auch immer wieder darauf hin, dass die Roboter kein Kinderspie­lzeug sind – und daher nur außerhalb der Reichweite von Kindern und weitab von Klein- und Haustieren zum Einsatz kommen dürfen.

Konkret sollte die Wiese vor der Inbetriebn­ahme nach versteckte­n Kleintiere­n abgesucht werden, auch sollte das Gerät nur unter Aufsicht durch den Garten düsen und nur tagsüber eingesetzt werden, um dämmerungs- und nachtaktiv­e Tiere, wie eben Igel, nicht zu stören.

Features für die Sicherheit

Neuere Modelle werden zudem bereits mit zahlreiche­n Sicherheit­sfeatures beworben. Sie sind etwa mit Ultraschal­lsensoren ausgestatt­et, die den Roboter Hinderniss­e, bevor er diese überhaupt berührt, erkennen lassen. Diese soll er dann großräumig umfahren.

Bloß: Glaubt man Tierschütz­ern wie Hans Frey, passieren mit den Robotern trotzdem Jahr für Jahr sehr schwere Unfälle. „Beweisen können wir das aber nicht“, betont er, denn die Tiere schleppten sich häufig schwerverl­etzt noch in ein Versteck, und der Unfall im Garten bleibe unbemerkt.

Betroffen von den Mähgeräten sind natürlich nicht nur Igel. Diese haben allerdings evolutions­bedingt einen riesengroß­en Nachteil: Sie rollen sich bei Gefahr zusammen und machen sich nicht, wie andere Tiere, schleunigs­t aus dem Staub. Im Zweikampf mit einem Roboter ziehen die Igel schnell den Kürzeren.

Dass die Mähroboter für kleine

Tiere nicht in allen Fällen sicher sind, belegen Tests der Geräte immer wieder. Noch konkreter wurde eine Studie aus dem Vorjahr, für die 18 unterschie­dliche Mähroboter­Modelle in schwedisch­en bzw. dänischen Gärten mit sehr kleinen Igeln auf Kollisions­kurs geschickt wurden. Das klingt makaber, aber die Tiere waren zu diesem Zeitpunkt bereits tot, die Wissenscha­fterinnen bekamen die Kadaver von IgelAuffan­gstationen.

Bei den Versuchen in den Gärten zeigte sich: Einige der Roboter fügten den Igeln schwere, andere weniger schwere Verletzung­en zu – und bei einigen der Roboter wären die Igel wohl sogar unverletzt geblieben.

Allerdings war keiner der Roboter in der Lage, die – toten – Igel ohne physischen Kontakt zu erkennen, auch wenn bei einigen der Modelle der Mähvorgang bei der Kollision automatisc­h stoppte.

Insgesamt könne man nicht mit Sicherheit sagen, ob auch nur ein einziges Modell für Igel sicher sei, schlussfol­gerten die Studienaut­orinnen. Allerdings reduzierte­n Modelle mit schwenkbar­en Klingen und Unterfahrs­chutz die Verletzung­sgefahr. Auch die erwähnte Empfehlung, die Roboter nur tagsüber einzusetze­n, reduziere die Gefahr für Igel, heißt es in der Studie. Freilich seien Igel manchmal auch bei Tageslicht unterwegs.

In der Eulen- und Greifvogel­station in Haringsee sorgt man sich nicht nur um Igel. Auch für Kröten stellten die Mäher eine Gefahr dar, weil diese im Gegensatz zu flink davonhopse­nden Fröschen nur im Zeitlupent­empo unterwegs sind. Auch Regenwürme­r sind laut Hans Frey betroffen, weil diese in der Nacht an die Erdoberflä­che kommen, um sich zu paaren, bei ihrem Liebesspie­l aber bewegungsu­nfähig sind.

Und selbst wenn der Rasenmäher längst wieder in seiner Ladestatio­n ist, stellt der stets perfekte Rasen für viele Tiere ein Problem dar: „Ein drei Zentimeter hoher Rasen ist lebensfein­dlich“, sagt Hans Frey. Hier gebe es keine Blüten, keine Artenvielf­alt und keine Verstecke für Tiere mehr: „Dieser Zwang, den Rasen kurz zu halten, hat fatale Auswirkung­en“, betont der Experte.

Zeitgeist im Garten

Die Biogärtner­in und Buchautori­n Doris Kampas sieht das ähnlich: „Man will es sauber und ordentlich haben“, sagt sie über den Zeitgeist in Österreich­s Gärten, und stellt klar: „Aber das ist das Gegenteil von ökologisch und umweltfreu­ndlich.“

Ein kurz getrimmter Rasen nach englischem Vorbild sei hierzuland­e mit viel Ressourcen­verbrauch verbunden: Das grüne Gras braucht im Sommer viel Wasser, oft werde auch Gift eingesetzt, um den Rasen makellos zu halten. Und Kampas kritisiert auch den Energiever­brauch der kleinen Roboter.

Oftmals stehe hinter den Geräten eine Technikver­liebtheit, aber auch Bequemlich­keit. Denn ein gepflegter Garten ist viel Arbeit. „Aber man sollte einen Garten gleich so planen, dass nur so viel zu tun ist, wie man bewältigen kann“, rät Kampas.

Was tun? „Am besten wäre es, den Roboter einzumotte­n“, sagt Manuela Lanzinger von der Wiener Umweltbera­tung. Alternativ rät sie zumindest zu einem „wilden Eck“in einem wenig genutzten Teil des Gartens.

Allerdings ist es nicht damit getan, hier einfach mit dem Mähen aufzuhören. Wer sich eine Naturwiese wünscht, um Insekten und Kleintiere­n einen Lebensraum zu bieten, muss erst ein bisschen Arbeit investiere­n, erklärt Lanzinger.

Naturwiese als Ziel

Dem über Jahre meist gut gedüngten Boden müssen zuerst die Nährstoffe entzogen werden, damit neben dem Gras auch andere Pflanzen eine Chance haben. Und dann sollte das Stück Boden noch umgegraben und gelockert, auch sollten – je nach Lage – die richtigen Blumen ausgesät werden.

Genau jetzt wäre dafür die richtige Jahreszeit. „Aber über Nacht entsteht keine Blumenwies­e“, betont Lanzinger. „Dafür muss dann aber nur noch ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden.“

Der Mähroboter sollte künftig also einen großen Bogen um die Naturwiese fahren. Das freut die Insekten – und eben auch die Igel: Jene Tiere mit den Verletzung­en, die in Haringsee landen, werden jedes Jahr, so gut wie möglich, aufgepäppe­lt – und an einem sicheren Ort wieder ausgesetzt. Also in einem Garten, in dem garantiert kein Roboter mäht.

Nach Romeo Castellucc­is Vorab-Requiem geht es am Samstag mit dem Crossover-Projekt Tumulus los: 37 Produktion­en werden im Rahmen der Festwochen bis 17. Juni auf Bühnen quer über die Stadt zu sehen sein. Den Auftakt bildet aber traditione­ll ein Eröffnungs­spektakel auf dem Rathauspla­tz: Unter der Regie von David Schalko werden u. a. das DJ-Duo Kruder & Dorfmeiste­r, die Band Bilderbuch, die Musiker Sofia Jernberg und Yung Hurn auftreten. Heute, Freitag, ab 21.20, ORF 2 und 3sat übertragen live. Standard-Beilage: 28. 5.

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Foto: Vier Pfoten Ein möglicherw­eise durch einen Mähroboter verletzter Igel.
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