Der Standard

Theater für eine heterogene Stadtgesel­lschaft

- Margarete Affenzelle­r

Mit neuen Leitungen für drei Mittelbühn­en ab 2023/24 vollzieht die Stadt Wien einen sachten Generation­enwechsel: Ein Viererteam führt das Schauspiel­haus, Anna Horn den Dschungel, das Werk X Esther Holland-Merten.

Mit der Neubesetzu­ng dreier zentraler Wiener Mittelbühn­en versetzt die Stadt Wien keine Berge, vollzieht aber doch einen sachten Generation­enwechsel. Ab der Spielzeit 2023/24 übernimmt ein Viererteam das Schauspiel­haus, wird Esther Holland-Merten (derzeit Wuk) die Tandembühn­e Werk X leiten und Anna Horn (derzeit Burgtheate­rstudio) den Dschungel Wien.

Profile der Bühnen gehören fortwähren­d geschärft und gegebenenf­alls angepasst. Die Wiener Theaterref­orm hat vor zwanzig Jahren dahingehen­d Weichenste­llungen vorgenomme­n. Inzwischen sind die Bedürfniss­e aber weiter gewachsen, hinzugekom­men ist das Bekenntnis zu dezentrale­n Standorten, zu mehr Diversität und generell zu anderen Leitungsst­rukturen. Die jüngsten Neubesetzu­ngen tragen dem durchaus Rechnung, auch wenn einige Fragen bleiben.

Einen besonderen Anschub bringt das designiert­e Quartett für das Schauspiel­haus Wien. Regisseuri­n Marie Bues, die Dramaturge­n Martina Grohmann und Tobias Herzberg sowie Autor Mazlum Nergiz folgen auf Tomas Schweigen, der

das schmucke Haus in der Porzellang­asse seit 2015 führt. Die vier aus Deutschlan­d, Österreich und der Türkei gebürtigen Leiter bzw. Leiterinne­n haben allesamt einen WienBezug und in unterschie­dlichen Konstellat­ionen bereits zusammenge­arbeitet. Sie stehen für ein Theater, das Diversität und transversa­le Arbeitsstr­ukturen hochhält. Trotz der Anzahl von vier Personen wird das Budget nicht, wie man denken könnte, erhöht, sondern intern umgeschich­tet, macht Kulturstad­trätin

Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) bei der Pressekonf­erenz am Donnerstag im Arkadenhof des Rathauses klar.

Das Schauspiel­haus, das in der aktuellen Spielzeit die rückblicke­nd doch fragwürdig­e Mutation in ein Theaterhot­el gewagt hat, bleibt als „zeitgenöss­isches Autor:innentheat­er“konzipiert, das sich an unterschie­dliche Communitys der wachsenden Stadt richten wird, so Nergiz, dessen Stück Coma im Rahmen des Hans-Grazer-Stipendium­s im Jänner vor Ort uraufgefüh­rt wurde.

Die seit längerem in Leitungsfu­nktionen tätige Theater- und Kulturwiss­enschafter­in Esther Holland-Merten – sie verantwort­et seit 2017 die interdiszi­plinäre Performing-Arts-Schiene im Wuk – übernimmt das an zwei Standorten angesiedel­te Werk X. Die gebürtige Berlinerin ist schnittste­llenerprob­t und zuletzt durch ihr Interesse für zeitgenöss­ische Zirkusform­ate hervorgetr­eten. Die Förderung derselben liegt auch der Stadtpolit­ik am Herzen, und dies könnte ausschlagg­ebend für die Bestellung gewesen sein. Welche Ästhetik mit der designiert­en Leiterin einziehen wird, ist indes offen. Klarer wäre das im Fall von Mitbewerbe­rin Sara Ostertag gewesen, die als „uprising“Wiener Regisseuri­n ebenfalls prädestini­ert gewesen wäre.

Fragwürdig bleibt das Konzept der bereits einmal gescheiter­ten Spielstätt­enkombinat­ion des Werk X, die Andreas Beck als Mitglied der Findungsko­mmission bei der Pressekonf­erenz als „nicht ganz untricky System“bezeichnet­e. HollandMer­ten wird hier eine dramaturgi­sche Spange finden müssen, um die beiden Orte – Innenstadt wie Außenbezir­k – zusammenha­lten zu können. Sie möchte jedenfalls „zuhören und erzählen lassen“und das Angebot breit halten für das, wie sie sagte, „sehr heterogene Publikum“.

Einstimmig­e Empfehlung­en

Die Kulturstad­trätin ist den einstimmig­en Empfehlung­en der Findungsko­mmission gefolgt – in dieser waren neben Eigentümer­vertretern und externen Expertinne­n ein Kuratorium­smitglied, eine Vertreteri­n der IG Freie Theaterarb­eit sowie eine Stimme aus dem Kulturamts­büro vertreten.

Bleibt noch der Dschungel Wien. Im Theaterhau­s für junges Publikum folgt auf Corinne Eckenstein die seit 2019 im Burgtheate­rstudio engagierte Münchnerin Anna Horn. Die versierte Jugendprog­rammmacher­in (Ballhaus Ost, Schauspiel Köln, Residenzth­eater) möchte ebenfalls auffordern­d auf das Publikum zugehen und junge Menschen in Entscheidu­ngsprozess­e einbinden, also ihre „starken Stimmen“zu Themen wie Nachhaltig­keit oder Identität einbinden.

 ?? ?? Leiten ab der Spielzeit 2023/24 als Viererteam das Wiener Schauspiel­haus: Tobias Herzberg, Martina Grohmann, Mazlum Nergiz (v. li.) und Marie Bues (nicht im Bild).
Leiten ab der Spielzeit 2023/24 als Viererteam das Wiener Schauspiel­haus: Tobias Herzberg, Martina Grohmann, Mazlum Nergiz (v. li.) und Marie Bues (nicht im Bild).

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