Sichere Häfen für Getreide gesucht
DAngesichts steigender Getreide- und Nahrungsmittelpreise sprechen sich die G7 gegen Exportstopps aus und suchen neue Transportwege für Getreide aus der Ukraine. Vor Hungersnöten wird gewarnt.
ie Märkte offen halten, von Russland blockierte Getreidelieferungen aus der Ukraine herausbekommen und Hamstern vermeiden: So will die G7-Gruppe der führenden westlichen Industriestaaten den Anstieg der Nahrungsmittelpreise dämpfen. „Wir haben alle miteinander, gerade die großen Exportnationen, auch eine Verantwortung für den Rest der Welt“, sagte der deutsche Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) am Wochenende in Stuttgart nach Abschluss des Treffens mit seinen G7-Amtskollegen. Zur Ankündigung Indiens, keinen Weizen mehr exportieren zu wollen, meinte er: „Wenn jetzt alle anfangen, solche Exportbeschränkungen zu machen oder gar Märkte zu schließen, wirkt das krisenverschärfend. Wir rufen dazu auf, die Märkte offen zu halten.“
Indien als weltweit zweitgrößter Weizenproduzent hatte zuvor angekündigt, die Ausfuhr des Getreides per sofort zu verbieten. Die Entscheidung sei angesichts des Anstiegs der weltweiten Weizenpreise getroffen worden, wodurch NeuDelhi die Lebensmittelsicherheit Indiens gefährdet sieht. In den vergangenen Monaten hat eine Hitzewelle Teile der Ernte in Indien vernichtet.
Die G7-Staats- und -Regierungschefs wollen nun über das Thema beraten, Indien wird beim Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern Ende Juni zu Gast sein. Deutschland führt die Staatengruppe, der neben der Bundesrepublik die USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan angehören, derzeit an.
Arme besonders gefährdet
Die Getreidemärkte sind wegen des Russland-Ukraine-Kriegs besonders angespannt, die Preise steigen. Das bedroht besonders arme Länder, die auf Importe angewiesen sind. Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge, warnte angesichts dessen vor der Gefahr von Hungersnöten. „Länder wie Ägypten, Kenia, der Südsudan, der Libanon und viele andere Staaten waren bislang direkt oder indirekt stark von russischen und ukrainischen Exporten abhängig“, erklärte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Leidtragende seien besonders Arme, die einen hohen Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen.
Die G7 wollen nun laut Özdemir die Preise für Produktions- und Lebensmittel stärker überwachen als bisher, dabei gehe es etwa um Düngemittel. Dazu solle das Agrarinformationssystem der G20-Gruppe der Industrie- und Schwellenländer gestärkt werden. Es dürfe keine übermäßige Lagerhaltung von Agrarprodukten in einzelnen Ländern geben.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace zeigte sich unzufrieden mit den Ergebnissen der G7-Agrarministerkonferenz. „Die Ministerinnen und Minister sind Erklärungen schuldig geblieben, welche konkreten Maßnahmen sie ergreifen, um die Märkte zu stabilisieren“, sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht in Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „So steht noch kein Gramm Weizen bereit, um die Menschen zu versorgen, die vom Hunger bedroht sind, wenn die Exporte aus der Ukraine ausfallen.“Deutschland solle in Europa vorangehen und die Beimischung von Biosprit zu Diesel und Benzin stoppen.
Die G7 prüfen derzeit Alternativen zum Schiffstransport von Getreide aus der Ukraine, um die russische Blockade zu brechen. Nachdem es beim Schienentransport über Rumänien wegen unterschiedlicher Spurbreite Probleme gegeben habe, prüfe man etwa die Ausfuhr über die baltischen Häfen, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Samstag zum Abschluss des G7-Treffens an der Ostsee.
Russland forderte man auf, die Blockade ukrainischer Getreideexporte zu beenden. Russlands grundloser Krieg in der Ukraine habe die globalen Wirtschaftsaussichten mit stark steigenden Nahrungsmittel-, Kraftstoff- und Energiepreisen verschlechtert, hieß es in einer beim Treffen der Außenminister verabschiedeten Erklärung. Rund 43 Millionen Menschen stünden nur einen Schritt entfernt von einer Hungersnot. Es drohe Ernährungsunsicherheit und Unterernährung.
Russland wies diese Vorwürfe zurück. Die Preise stiegen wegen der westlichen Sanktionen, schrieb die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Samstag auf ihrem Telegram-Kanal. „Wenn man das nicht versteht, ist das entweder ein Zeichen von Dummheit oder für die bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.“(dpa, APA, red)